In zwei aktuellen Fachartikeln in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht 22/2020 vom 15.11.2020 untermauern die Autoren Nitsch/Weiss/Frey (2020) und Budzinski (2020), dass die Kommune eine aktive Rolle spielen kann.[1] Die Kommune kann und soll Mobilfunkkonzepte erstellen. Zu diesem Schluss kommen beide Autoren, obwohl sie von verschiedenen Grundpositionen ausgehen. Nitsch / Weiss / Frey befürworten den 5G Ausbau, der ehem. Verwaltungsrichter Bernd I. Budzinski ist 5G-Kritiker.
Kernaussagen der Artikel von Nitsch/Weiss/Frey und Budzinski
1. Die Kommune kann und soll ein Mobilfunkkonzept erstellen
- "Im Rahmen der von Art. 28 GG geschützten Planungshoheit verwirklicht die Gemeinde ihre städtebaulichen Ziele. Die Standortplanung für Anlagen des Mobilfunks – idealerweise auf der Grundlage eines kommunalen Mobilfunkkonzeptes – birgt neben der Zurverfügungstellung öffentlicher Grundstücke ein beträchtliches Steuerungspotenzial" (Nitsch/Weiss/Frey 2020).
- "Die Gemeinden machen von ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 II 1 GG daher einen angemessenen Gebrauch, wenn sie im Hinblick auf diese bedenkliche Ungewissheit und Planungsunsicherheit abwarten wollen, bis die fehlende Gesundheitsüberprüfung und eine Technikfolgenabschätzung für 5G erfolgt sind" (Budzinski 2020).
Die Fachartikel von Nitsch/Weiss/Frey (2020) und Budzinski (2020) untermauern, dass die Kommune eine aktive Rolle spielen kann, das Recht und auch die Pflicht hat, eine Vorsorgepolitik zu betreiben. Das BVerwG hat schon 2012 entschieden, dass der Mobilfunk vorsorgerelevant ist, weil die Mobilfunksendeanlagen zumindest in ihrer Häufung „durch die Ausbreitung von Hochfrequenzstrahlen die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse berühren“ (§ 1 VI Nr. 1 BauGB).[2]
2. Die Kommune kann Immissionschutz betreiben
- "Generell besteht ein großes öffentliches Interesse an einer möglichst effizienten, flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen des Mobilfunks. Sofern dieses Erfordernis entsprechende Berücksichtigung findet, ist es gleichwohl legitim, dass auch die Bauleitplanung für eine möglichst geringe Belastung der Bevölkerung durch Mobilfunkimmissionen Sorge trägt" (Nitsch/Weiss/Frey 2020).
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Kein Verstoß gegen höherrangiges Recht. Bei planerischen Festsetzungen, die trotz Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV zum Ausschluss von Mobilfunkanlagen führen, stellt sich die Frage ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht – konkret mit immissionsschutzrechtlichen Normen. Gemeinden müssen bei der Zulassung von Mobilfunkvorhaben die Grenzwerte der 26. BImSchV nicht voll ausschöpfen, sondern sie haben das Recht auf eigene Vorsorgeplanung,8 also darauf, „eigenständig gebietsbezogen das Maß des Hinnehmbaren zu steuern“.9 Soweit die 26. BImSchV für Hochfrequenzanlagen keine Vorsorgeregelungen getroffen hat, ist es der Gemeinde unbenommen, eigenständig Risikovorsorge zu betreiben und diese als Belang iSd § 1 VI Nr. 1 und 7 BauGB in der Bauleitplanung zu berücksichtigen" (Nitsch/Weiss/Frey 2020).
3. Die Kommune kann Baugesuche stoppen
- "Zur Sicherung ihrer Planung kann die Gemeinde ein entsprechendes Baugesuch zeitlich begrenzt iSd § 15 BauGB zurückstellen lassen, oder eine Veränderungssperre iSd § 14 BauGB erlassen" (Nitsch/Weiss/Frey 2020).
- "Die Gemeinden haben grundsätzlich das Recht, Veränderungen in ihrem Gebiet zu stoppen, die die genannten Rechte und ihre Planung unterlaufen oder behindern. Das folgt sowohl aus ihrer Gemeindeautonomie (Art. 28 GG) als auch speziell ihrer Planungshoheit" (Budzinski 2020).
4. Small Cells für 5G unterliegen auch der Mitentscheidung der Kommune
- "Vor dem Hintergrund eines beschleunigten 5G-Ausbaus mag es sicherlich sinnvoll sein, wenn nicht jede Mikroanlage planungsrechtlich relevant nach §§ 30 ff. BauGB wäre. Doch sind gerade die Belange gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse, des Umweltschutzes und der gemeindlichen Risikovorsorge insgesamt auch im Falle der Anbringung von Small Cells berührt. Daher erscheint es zweifelhaft, die bodenrechtliche Relevanz allein aufgrund der Höhe einer Mobilfunkanlage abzusprechen. Soweit Mobilfunksendeanlagen Anlagen iSv § 29 BauGB sind, unterfallen sie den für das jeweilige Baugebiet geltenden materiellen Zulassungsanforderungen der §§ 30 ff. BauGB" (Nitsch/Weiss/Frey 2020).
Nitsch/Weiss/Frey (2020) führen u.a. also aus: Eine Bauleitplanung darf auch eine möglichst geringe Mobilfunkbelastung der Bevölkerung zum Ziel haben. Dem steht das Abwägungsgebot aus § 1VII BauGB regelmäßig nicht entgegen. Gemeinden haben das Recht, eine eigene Vorsorgeplanung gebietsbezogen und auf das Maß des Hinnehmbaren zu steuern. Dabei dürfen die Grenzwerte der 26. BImSchV auch unterschritten werden. Es gibt keinen Rechtsanspruch für die Betreiber, diese zu jeder Zeit und überall auszuschöpfen zu dürfen.
Die Gemeinde ist berechtigt, eigenständig Risikovorsorge zu betreiben und diese als Belang gemäß §1 VI Nr. 1 und 7 BauGB in ihrer Bauleitplanung festzulegen. Im Rahmen ihrer Bauleitplanungen dürfen Gemeinden zwar keine allgemeinen Grenzwerte festlegen, die unterhalb der Vorschriften aus der 26. BImSchV liegen, sie sind jedoch berechtigt, Gesundheitsvorsorge als städtebauliches Ziel zu verankern. Das bedeutet, dass die Gemeinde keine höheren Immissionswerte akzeptieren muss, als nach den Umständen zur Verwirklichung des Versorgungszieles unvermeidlich ist.
Wahrung von Fristen
Auf Meldungen von Mobilfunkbetreibern ist unbedingt innerhalb der geltenden Fristen zu reagieren. Verstreicht diese Frist ungenutzt, ist die Anlage ggf. damit genehmigt. Auf bereits genehmigte Standorte von Sendeanlagen kann nachträglich kein Einfluss mehr genommen werden.
Es ist den Kommunen dringend zu raten, sich über ihre Pflichten und Möglichkeiten umfassend zu informieren und sich ggf. unabhängig juristisch beraten zu lassen, um zur Umsetzung eines wirksamen Vorsorgekonzepts befähigt und vorbereitet zu sein.