High Tech-Vorschriften für Privathaushalte

Müssen Endkunden funkende Stromzähler akzeptieren?
Aktuell halten über zwei Drittel der deutschen Bevölke­rung eine Zwangsdi­gita­li­sie­rung durch den Einbau „intelligenter“ Mess-Systeme für falsch. Ungeachtet dessen wird der Bun­des­tag in Kürze das Gesetz zur „Digi­ta­lisierung der Energiewende“ verabschieden, das der Vorlage zufolge jeden Widerspruch gegen den Einbau digitaler Strom­zähler unmöglich machen dürfte. Wo Firmen den geplanten Roll-out durchführen wollen, wird eine Zurück­wei­sung durch die Endverbraucher ab 2020 nicht mehr er­laubt sein. So sollen offenbar auch optimale Voraus­setzungen für eine Funksteuerung des Hausbetriebs, ja wohl überhaupt fürs geplante Internet der Dinge ge­schaffen werden.

Der Eindruck drängt sich auf, dass die Industrie- und Wirtschafts-Lobby ganze Arbeit geleis­tet hat. Zwar sind Datenschutz-Bedenken weitgehend berücksichtigt, auch wenn hier kriti­sche Rückfragen bleiben: Welche privatesten Profile werden künftig viel­leicht doch verbor­gen abgreifbar? Und sind Hacker-Gefahren wirklich zu bannen? Gänzlich unberücksichtigt sind aber im Text bislang Strahlenschutz-Bedenken geblieben. Dabei hat das Bundesamt für Strahlenschutz gemahnt: „Dem Grundsatz des Strahlenschutzes entspre­chend, Belastungen wenn möglich zu minimieren oder ganz zu vermeiden, sollten Smart Meter bevorzugt wer­den, die ihre Daten kabelgebunden übertragen.“ Warum wird ungeachtet dessen dem End­kunden im neuen Gesetz kein Recht auf kabelgebundene Zähltechnologie garantiert?

Strahlenbelastung und bürgerliche Freiheit

Die Vorteile digitaler Vernetzung des Stromzählens kommen vor allem zustande, wenn die anfallenden Daten rela­tiv häufig erhoben und weitergeleitet werden. Darum aber ist es bald aus mit einmal jährlichem oder monatlichem Registrie­ren von Zählerdaten. Vielmehr inter­essiert beispielsweise viertelstündliches, minütliches oder fast sekündliches Messen und Weitervermitteln – je nach Tarif. Die Übermittlung der erhobenen Daten könnte sowohl durch Funk als auch über Kabel erfolgen. Aber Funk wird oft – vor allem auf dem Lande – als preis­wertere Lösung favo­risiert, wobei es bei der Kosten-Nutzung-Rechnung auf gesund­heit­li­che Risiken nicht anzukommen scheint. Wenn künftig ein funkendes System eingebaut werden soll, muss der Endverbraucher nicht mehr um sein Einverständnis gebeten werden.

Dabei liegt die Strah­len­belastung durch Funk in unserer Lebenswelt längst bedenklich hoch – ge­mes­sen an den warnenden Stim­men etlicher unabhängiger Forscher aus Ländern rund um den Globus, die viel zu wenig Gehör finden. So betonte kürzlich der Vorsitzende der fran­zö­sischen Ver­einigung für Krebs­therapieforschung, Dominique Belpomme: „Es geht nicht dar­um, jeg­lichen tech­ni­schen Fortschritt rückgängig zu machen, aber Staat und Ver­bände müs­sen han­deln… Der­zeit leugnen die Poli­tiker das Problem völlig. Gesund­heit­lich zahlen wir dafür einen hohen Preis…“ Eine Langzeitstudie aus Bayern legte nahe, dass Mobil­funk-Effekte einem Dosis-Wir­kungs-Zusam­menhang unter­liegen und lang­fristig zu Ge­sund­heitsschäden führen kön­nen. Nicht von ungefähr forderte der Stän­dige Aus­schuss des Euro­parates in einer Reso­lu­tion bereits 2011 eine europaweite Wende in der Mobil­funkpoli­tik. In der Schweiz zeigte voriges Jahr eine amt­liche Auswertung des Forschungsstandes durch den Bundesrat, dass eine Beeinflussung der Hirn­ströme nach wissenschaftlichen Kri­te­rien aus­rei­chend nachgewiesen sei. Trotz allem steigt im Zuge der fortschreitenden „digi­ta­len Revolu­tion“ die Strah­lenbelas­tung kontinu­ierlich an – gerade auch im Wohn­be­reich, insbesondere in Mehrfami­lienhäu­sern. Und dazu wird ein gesetzlich verankerter Aus­schluss der Möglichkeit, funkende Stromzähler abzulehnen, künftig mit beitragen.

Die Folgen des neuen Gesetzes bedeuten für manche Bürge­rin­nen und Bürger eine Horror-Vor­stellung: Funkstationen, die womöglich alle paar Sekunden ihr Signal durch den privaten Wohnraum schicken, den sie doch bewusst von solcher Strahlung möglichst frei halten woll­ten – nicht aus irrationalen Ängsten heraus, sondern weil sie sich informiert und ihre freie Meinung gebildet haben. Was gilt noch der grundgesetzlich garantierte Schutz der körperli­chen Unversehrtheit sowie des eige­nen Wohnraums? Der Mediziner Karl Braun-von Gladiß gibt zu be­den­ken: „Eine der basalen For­de­rungen aller für den problem­be­wussten Umgang mit Mobil­funk plä­die­ren­den Wissen­schaft­ler heißt, die Mobilfunkdichte vor allem nachts zu re­duzie­ren, weil das bio­logische System in dieser Zeit besonders sen­sibel ist. Dem­ent­spre­chend zwei­fel­te bis­lang kein unab­hängiger Wissen­schaft­l­er an der Not­wendigkeit, nachts die Sen­de­leis­tun­gen von Mobilfunk­basissta­tionen herunter zu regeln, was technisch gut möglich ist.“ Dem aber entsprechen die Ermächtigungen im Rahmen des neuen Ge­setzes keineswegs. Über besorgniserregende Erfahrungen mit funkenden Heizkostenverteilern berichtet der Um­welt­me­di­zi­ner Joachim Mutter: Patienten hätten – ob­wohl sie nicht einmal wuss­ten, dass sich neue Strahlen­quellen im Haus be­fanden – nach dem Ein­bau dieser Art von Zählern „vie­lerlei Be­schwerden und Krankheiten er­wor­ben“. Schlaf­schwie­rigkeiten, Kopf- und Kör­per­schmerzen, Blut­druck­krisen, Ge­dächtnis­schwä­che, Augenbren­nen, Tin­ni­tus und dergleichen wurden erst bes­ser, nach­dem die per Funk aus­les­baren Heizkostenverteiler de­montiert und dafür wieder die alten Mess­röhr­chen an den Heiz­körpern ange­bracht wurden.

Auch Kabellösungen sind nicht immer unproblematisch

Sofern die Datenüber­tragung nicht durch Funk, sondern übers Stromnetz selbst erfolgen soll, spricht man von Power­line Communication (PLC). Unter baubiologischem Aspekt ist aber genau diese Art von Kabellösung gesundheitlich auch nicht un­prob­lematisch: Hierbei wird elek­tro­magne­ti­sche Strahlung über alle ungeschirmten Stromleitungen und eventuell obe;:n­drein über alle an die gemein­same Hauserdung ange­schlossenen Rohrleitungen im Haus wirksam. Zumal für die Wirkung auf Lebe­wesen nicht nur die Strahlungsintensität, son­dern auch Art und Dauer der Strahlung wich­tig sind, kann von einer Unge­fähr­lichkeit selbst die­ser Strahlung nicht pauschal die Rede sein. Die Öster­rei­chische Ärzte­kammer warnt, für Zwischen­fre­quenzen, wie sie bei PLC-Anbin­dung vom Trafo zum Smart Meter auf­träten, lägen Daten aus den USA vor, die ein erhöhtes Krebsrisiko zeig­ten. Und der Schweizer In­ge­nieur Peter Schle­gel weiß: Der Fre­quenz­bereich von PLC ver­ur­sacht zumindest man­chen „elek­tro­sen­siblen Per­so­nen spontane Be­schwer­den.“ Darum sollte man auch diese Art von Kabel­lösung hierzulande im privaten Lebens­be­reich wei­terhin ableh­nen dürfen – zu Gunsten der Wahl von Techniken wie Ethernet-LAN, Festnetz-DSL bzw. Glasfaser. Deren Verwen­dungs­möglichkeit sollte in dem neuen Gesetz ausdrücklich garantiert werden; sonst könnte dafür irgendwann ein Aus durch den „freien Markt“ drohen. Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk, mahnt: „Ein erneutes Zwangsgesetz zum Einbau gesundheitsgefährdender, qualitativ und technisch unausgereifter Produkte, wie vor Jahren bei der Energiesparlampe, braucht niemand.“

Publikation zum Thema

Artikel veröffentlicht:
25.04.2016
Autor:
Prof. Werner Thiede
Quelle:
Bayerische Staatszeitung vom 22.04.2016

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