Hausärzte bestätigen grosse Relevanz von EMF

Umfrage im dt. Mobilfunkforschungsprogramm
Aus den 17 regionalen Ärztelisten der Kassenärztlichen Vereinigungen wurde eine geschichtete, für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland repräsentative 7% -Stichprobe zum Zusammenhang zwischen EMF und gesundheitlichen Beschwerden gezogen.

In den Listen waren zwischen Dezember 2007 und Februar 2008 ungefähr 40'000 niedergelassene Allgemeinmediziner:innen und praktische Ärzte/-innen registriert. Die Stichprobe umfasste 2795 Adressen, davon erhielten zwei Drittel (n=1867) per Post einen langen Fragebogen (4 Seiten) und ein Drittel (n=928) einen Kurzfragebogen (eine Seite).

Ungefähr ein Drittel der Hausärzte in Deutschland gehen von einem Zusammenhang zwischen EMF und gesundheitlichen Beschwerden. Die Frage nach gesundheitlichen Beschwerden durch EMF unterhalb der Grenzwerte bejahten im Kurzfragebogen 37.3% der Antwortenden, in der Langversion 57.5%.

Die Autor:innen weisen darauf hin, dass diese Einschätzung vom derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand abweicht. Es stellt sich hieraus jedoch die Frage, auf welche Studienlage sich die Forscher beziehen. Letztlich bestätigen die praktischen Erkenntnisse von Hausärzten zahlreiche Studien in denen gesundheitsbeeinträchtigende Ergebnisse nachgewiesen wurden. Es ist somit nicht nur die Frage, dass Hausärzte besser informiert sein sollten, sondern dass eine unabhängigere Forschung gewährleistet wird.

Kurzfassung der Publikation:

Quelle: Dokumentationsstelle ELMAR im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU)

Ziel:
1) Anteil der Hausärzte/-innen in Deutschland, die von einem Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern (EMF) und gesundheitlichen Beschwerden ausgehen. 2) Bedeutung des Selektionsfehlers, der in solchen Befragungen durch niedrige Rücklaufraten entsteht. 3) Faktoren, die die Einschätzung der Hausärzte/-innen beeinflussen.

Kollektiv:
Aus den 17 regionalen Ärztelisten der Kassenärztlichen Vereinigungen wurde eine geschichtete, für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland repräsentative 7% -Stichprobe gezogen. In den Listen waren zwischen Dezember 2007 und Februar 2008 ungefähr 40'000 niedergelassene Allgemeinmediziner:innen und praktische Ärzte/-innen registriert. Die Stichprobe umfasste 2795 Adressen, davon erhielten zwei Drittel (n=1867) per Post einen langen Fragebogen (4 Seiten) und ein Drittel (n=928) einen Kurzfragebogen (eine Seite). Die Zuteilung zu diesen beiden Gruppen war zufällig. An Non-Responder wurde der lange Fragebogen nach 4 Wochen noch einmal verschickt, der kurze nach 4 und 8 Wochen noch zweimal.

Exposition:
Elektromagnetische Felder im Alltag, keine Beschränkung auf bestimmte Quellen oder Frequenzen.

Methode:
Die Langversion des Fragebogens enthielt 2 Fragen zur Einschätzung der EMF-Risiken: 1) Glauben Sie, dass es Personen gibt, deren gesundheitliche Beschwerden durch EMF verursacht werden? 2) Gibt es Personen, deren gesundheitliche Beschwerden durch EMF unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte verursacht werden? Im Kurzfragebogen war nur die zweite Frage enthalten. Der statistische Vergleich zwischen den frühen, mittleren und späten Antwortgruppen erfolgte mittels linearer Regression. Faktoren, die die Risikowahrnehmung beeinflussen könnten, wurden in multiplen logistischen Regressionsmodellen untersucht.

Resultate:
Für den kurzen Fragebogen betrug die Rücklaufquote 49.1% (n=456), für den langen Fragebogen 23.3% (n=435). Die Frage nach gesundheitlichen Beschwerden durch EMF unterhalb der Grenzwerte bejahten im Kurzfragebogen 37.3% der Antwortenden, in der Langversion 57.5%. Der Vergleich zwischen frühen und später eintreffenden Antworten sowie die Extrapolation auf Non-Resonders ergab einen Anteil von 29.3% Zustimmung zu dieser Frage. Die generelle Frage nach der Verursachung von Beschwerden durch EMF im langen Fragebogen beantworteten 54.3% der Teilnehmer mit ja, dagegen glaubten 28.7% nicht an einen Zusammenhang und 16.6% waren unentschieden. Ärzte/-innen mit einer Zusatzausbildung in Alternativmedizin glaubten statistisch signifikant häufiger an ein EMF-Risiko als Ärzte/-innen ohne diese Qualifikation (Odds Ratio: 2.26, 95%-CI: 1.45-3.52). Teilnehmer aus West- und Süddeutschland hatten mehr Bedenken als Teilnehmer aus Ostdeutschland (ORs: 1.74, 95%-CI: 0.95-3.19 bzw. 1.67, 95%-CI: 0.92-3.03). Ärzte/-innen, die der WHO eine hohe Glaubwürdigkeit attestierten, gingen seltener von einem Zusammenhang aus (ORs: 0.6, 95%-CI: 0.39-0.92).

Schlussfolgerung:
Die Autor:innen resümieren, dass ungefähr ein Drittel der Hausärzte/-innen in Deutschland von einem Zusammenhang zwischen EMF und gesundheitlichen Beschwerden ausgeht. Sie weisen darauf hin, dass diese Einschätzung vom derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand abweicht und empfehlen eine bessere Informationsstrategie, um praktizierende Ärzte/-innen über Ergebnisse der EMF-Forschung zu informieren.

Bemerkung:
In der Schweiz und in Österreich wurden ähnliche Umfragen bei Hausärzt/-innen durchgeführt. In der Schweizer Studie lag die Teilnahmerate bei 28.2% und 61.4% der Teilnehmer:innen glaubten an einen Zusammenhang zwischen EMF und gesundheitlichen Beschwerden (Huss u. Röösli, BMC Public Health 2006: 6, 267). In Österreich schlossen sogar 95% der Teilnehmer:innen nicht vollständig aus, dass EMF gesundheitliche Risiken haben könnte (Leitgeb et al., Wien Med Wochenschr 2005: 155 (9-10), 237-241). Prinzipiell ist davon auszugehen, dass sich an solchen Umfragen mehr Personen beteiligen, die gesundheitliche Risiken durch EMF befürchten. Ein Auswahlfehler ist also nicht ganz zu vermeiden, kann aber durch die Verwendung des Kurzfragebogens und die Auswertung der später eintreffenden Antworten vermindert werden. Zusätzlich interessant wären Angaben über demographische Charakteristika oder sonstige Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern.

Finanzierung:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

EMF-Risiken aus allgemeinärztlicher Sicht, 2009Quelle: Projektabschlussbericht Uni Bielefeld

Auszug aus dem Projektabschlussbericht

5.3. Erfahrungen der Ärzte/-innen mit EMF-Patient:innen
(S.50 ...) Im Langfragebogen geben 61,4 % (266) der Ärzte:innen an, jemals Erfahrungen mit einem Patienten wegen EMF gemacht zu haben. Diesen Ärzt:innen wurden weitere Fragen zum Themenbereich der Arzt-Patienten-Interaktion gestellt. Als Gründe der letzten Konsultation werden am häufigsten die Beschwerden Kopfschmerzen (21,6 %) und Schlafstörungen (21,0 %) genannt. Seltener werden Beschwerden, wie beispielsweise Kreislaufbeschwerden (9,2 %), Abgeschlagenheit (8,8 %), allgemeine Beschwerden (8,0 %), Unruhe (6,7 %) und Konzentrationsbeschwerden (4,7 %) aufgezählt (Anhang, Tabelle 1 >>> ). (...)(...) Bei der letzten Konsultation werden als Quellen der Beschwerden am häufigsten Sendemasten aufgelistet. An zweiter Stelle folgen Handys/Mobilfunktelefone und Trafohäuschen (Anhang, Tabelle 2) als vermutete Quellen von Gesundheitsbeschwerden.

Die Vermutung über einen Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beschwerden und EMF äußern zu 72,3 % (n=188) der Patient und zu 5,8 % (n=15) der Arzt. In 21,9 % (n=57) der Fälle wird die Vermutung von beiden, Arzt und Patient, ausgesprochen. Die Ärzte/-innen wurden weiterhin danach gefragt, ob dieser geäußerte Zusammenhang plausibel ist. 42,8 % der Ärzte/-innen erachten diese Vermutung als plausibel und 57,2 % als nicht plausibel.

Bei der letzten Konsultation werden insgesamt bei 45,8 % (116) der Fälle Schutzmaßnahmen oder Therapien vorgeschlagen. Am häufigsten wird als Schutzmaßnahme mit 25,2 % die Entfernung elektrischer Geräte genannt (siehe Tabelle 11). Mit einem Anteil von 15,5 % wird ein Wohnungs- oder Wohnortswechsel empfohlen. Weitere Schutzmaßnahmen oder Therapien, die bei der Behandlung zur Sprache kommen, sind der Wechsel des Schlafplatzes, generelle Abschirmungsmaßnahmen und Änderungen des Nutzungsverhaltens der als Gefahrenquellen benannten technischen Geräte.

Die Mehrzahl der vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen oder Therapien, nämlich 78,9 % (90), stammen vom Arzt und nur 16,6 % (19) vom Patienten. Bei 4,4 % (5) nennen beide, Arzt und Patient, die Schutzmaßnahme.

Mit einer weiteren Frage wurden die Erfolgsquoten der Schutzmaßnahmen oder Therapien aus Sicht des Arztes/der Ärztin erfasst. Als erfolgreich sehen 52,3 % (58) der Ärzte/-innen die Schutzmaßnahme an. Nur in 8,1 % (9) erkennen sie keinen Erfolg. In 39,62 % (44) der Fälle kann der Arzt keine Aussage darüber tätigen, weil bislang keine Rückmeldung vom Patienten vorliegt.

EMF-Risiken aus allgemeinärztlicher Sicht, 2009Quelle: Projektabschlussbericht Uni Bielefeld

Auszug aus dem Projektabschlussbericht

5.4. Informationsbedarf, Vertrauen und subjektiver Informationsstand
(S.52 …) Von den 435 Allgemeinmedizinern und praktischen Ärzten kennen 13,6 % (59) Fortbildungsangebote zum Thema „elektromagnetische Felder und Gesundheit“. Von denjenigen Ärzten, die solche Fortbildungsangebote kennen, glaubt die Mehrheit (70 %) daran, dass es Personen gibt, bei denen Gesundheitsbeschwerden durch EMF ausgelöst werden.

In einem weiteren Fragenblock werden die Teilnehmer gefragt, für wie vertrauenswürdig sie verschiedene Organisationen und Personengruppen betrachten, die (unter anderem) im Bereich EMF agieren (siehe Tabelle 14).

In dem Langfragebogen wird der WHO mit 80 % aller Befragten das meiste Vertrauen entgegen gebracht, mit 75 % folgt das BfS, dem damit ebenfalls ein hohes Vertrauen geschenkt wird. Mit 55 % haben die Ärzte bei der Vermittlung von Informationen über EMF außerdem ein relativ hohes Vertrauen in die Ärzteappelle. Nur 29 % der Mediziner halten die Bürgerinitiativen, die gegen die Einrichtungen von Mobilfunksendemasten plädieren, für vertrauenswürdig. Dem Ökoinstitut, den Ärztekammern und der Verbraucherzentrale wird dagegen ein eher ausgewogenes Vertrauen bei Informationen im Bereich EMF entgegen gebracht. (…)

Abstract

German wide cross sectional survey on health impacts of electromagnetic fields in the view of general practitioners.

Kowall B, Breckenkamp J, Heyer K, Berg-Beckhoff G.
Department of Epidemiology and International Public Health, School of Public Health, University of Bielefeld, PO 100131, 33501, Bielefeld, Germany.

OBJECTIVES: The proportion of general practitioners (GPs) in Germany who assume health impacts of electromagnetic fields (EMF) is assessed. Moreover, factors associated with this risk perception are examined.

METHODS: A 7% random sample was drawn from online lists of all the GPs working in Germany. 1,867 doctors received a long version of a self-administered postal questionnaire about EMF and health (response rate 23.3%), 928 doctors received a short version (response rate 49.1%). RESULTS: 37.3% of responders to the short and 57.5% of responders to the long questionnaire agreed "that there are persons whose health complaints are caused by EMF when legal limit values are met". A late responder analysis for the survey with the short questionnaire led to a still lower estimate of 29% for GPs believing in health-relevant effects of EMF.

CONCLUSION: About a third of German GPs associate EMF with health complaints and thus deviate considerably from current scientific knowledge. To avoid a strong selection bias in the surveys of the perception of EMF risks, use of short questionnaires and late responder analysis are recommended.PubMed, 2009 Dec 18.

Artikel veröffentlicht:
28.01.2010
Autor:
diagnose:funk
Quelle:
Auftraggeber der Studie: Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Schlagwörter dieses Artikels

Ja, ich möchte etwas spenden!