Handystudie: Warnung vor der Entwarnung

Neue Studie hinterlässt zwiespältigen Eindruck
Eine Studie aus Dänemark beruhigt die Handy-Besitzer und freut die Mobilfunkindustrie. Doch die Resultate sind nur auf den ersten Blick beruhigend: Andere Forscher halten eine Entwarnung für falsch.

Das Fazit einer dänischen Handy-Studie war Balsam für die Mobilfunkindustrie:

Die 420 095 Dänen, die seit 1982 mit einem Handy telefonieren, erkranken statistisch betrachtet nicht häufiger an Hirntumoren als Dänen ohne Mobiltelefon. Noch mehr gefreut haben dürfte sich die Handy-Branche an den Schlagzeilen, die die Studie Ende 2006 erzeugte: «Entwarnung für Handys», titelten mehrere Zeitungen. Die international stark beachtete Studie überprüfte, ob jene Dänen, die zwischen 1982 und 1995 einen Handy-Vertrag hatten, bis im Jahr 2002 an Krebs erkrankt waren. Gemessen an den durchschnittlichen Krankheitsfällen in der Bevölkerung, wären für eine Gruppe dieser Grösse 15 000 Krebsfälle zu erwarten gewesen.

Alle Handy-Nutzer im selben Topf

Doch bei den Handy-Nutzern gab es «nur» 14 249 Krebsfälle. Die Schlussfolgerung der Forscher: Es gibt kein erhöhtes Krebsrisiko für Handy-User. Doch ganz so klar ist das Fazit der Studie nicht, wie Joachim Schüz vom Institut für Krebsepidemiologie der Dänischen Krebsgesellschaft zugibt. Schütz, an der Studie massgebend beteiligt, spricht zwar nach wie vor von einem «beruhigenden» Fazit, bestätigt aber gleichzeitig eine Schwachstelle der Studie: Vieltelefonierer wurden nicht von Wenigtelefonierern unterschieden.

Zeit des Handybooms gar nicht erfasst

Ungefährliche Handy-Strahlung? Kritiker bezweifeln die Beweiskraft der Studie

Ein anderes Problem: Vieltelefonierer gibt es erst seit Mitte der 90er-Jahre. In den 80er-Jahren diente das Handy meist nur für Kurzgespräche. Die Geräte waren teuer und unhandlich, der Empfang oft schlecht. Die Zeit, als das Handy für Normalbürger erschwinglich und zunehmend öfters benutzt wurde, ist mit der Studie gar nicht erfasst. Eine weitere Schwachstelle der Studie: Über 200 000 Handy-Telefonierer wurden gar nicht erst
berücksichtigt, weil ihre Gerräte als unpersönliche Firmenhandys registriert waren. Mobilfunkkritiker weisen darauf hin, dass gerade diese Gruppe Handy-Besitzer in den 80er- und frühen 90er-Jahren die neue Technologie am intensivsten genutzt habe. Kritik an der dänischen Studie üben aber nicht nur mobilfunkkritische Organisationen, sondern auch prominente Forscher wie Franz Adlkofer. Er koordinierte für die EU den sehr umfangreichen Forschungsverbund Reflex, der im Labor Schäden an der Erbsubstanz durch Mobilfunkstrahlung nachwies. «Nur wenn die dänische Studie fortgesetzt wird und in 20 Jahren zum selben Ergebnis kommt, muss man ihr Beweiskraft zugestehen», sagt Adlkofer. Denn zwischen einem Schaden an Genen und dem Ausbruch einer Krebserkrankung liegen in der Regel 15 bis 40 Jahre.

Hugo Rüdiger, der mit seiner Forschergrupppe an der Universität Wien in der besagten Reflex-Studie die Veränderungen in den Zellen durch Handy-Strahlung belegte, bezeichnet seine eigenen Resultate nach wie vor als «beunruhigend». Der Wiener Laborversuch wurde übrigensvom Basler Forscher Primo Schär wiederholt – und erneut beschädigte die Handy-Strahlung das Erbgut.

38 Studien belegen Folgen der Strahlung

Rüdiger: «Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass Änderungen der genetischen Information in Körperzellen den Ausgangspunkt für Krebserkrankungen darstellen.» Deshalb sei eine Entwarnung wegen möglicher Gesundheitsgefahren durch den Mobilfunk «verfrüht». Der Wiener Forscher argumentiert auch anhand anderer Studien, die ein erhöhtes Risiko von Hirntumoren durch Handy-Strahlen belegen. Davon gibt es mittlerweile eine ganze Reihe: Die mobilfunkkritische Organisation Diagnose-Funk hat in der weltweiten wissenschaftlichen Literatur 38 Studien gefunden, die signifikante gesundheitliche Effekte der Funkstrahlung bei Feldstärken unterhalb der Schweizer Grenzwerte nachweisen.

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Artikel veröffentlicht:
31.01.2007
Autor:
Otto Hostettler | Konsumentenzeitschrift K-Tipp
Quelle:
K-Tipp Nr. 2 | 31. Januar 2007 Veröffentlicht auf diagnose:funk mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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