Moritz Leuenberger hat Mühe mit Elektrosmog

Schweizer Bundesrat verlässt Dienstwohnung
Privat schirmt sich Bundespräsident Leuenberger mit grossem Aufwand gegen Elektrosmog ab. Als Energieminister aber vertritt er Grenzwerte, die selbst den FMH-Ärzten viel zu hoch sind.

Hallo Böser Leuenbergera, schrieb die 11-jährige Vanessa Omlin aus Wollerau SZ dem Energieminister im Juni 2000: «Ganz viele Leute können nicht mehr schlafen wegen der Strahlen von den Natel-Antennen. Auch ich und meine Schwestern haben Schmerzen.»


Vanessa lebt mit ihrer Faniilie in einem Haus, das von fünf Mobilfünkantennen umringt ist. Die Familie leidet seit Jahren unter gesundheitlichen Störungen, die sie auf die Strahlen der Sendetürme zurückführt. Doch niemand nimmt ihre Beschwerden ernst (K-Tipp 17/99).
Einige Wochen später erhielt Vanessa einen Brief von Philippe Roch, Direktor des Bundesamtes für Umwelt, das zu Leuenbergers Departement gehört «Mit den Schmerzen und Schlafstörungen ist es so eine Sache», schrieb er. «Wir empfehlen dir, die Augen offen zu halten und dich nicht auf die Mobilfunkantennen zu versteifen.»

Umfangreiche Sanierung in der Privatwohnung

Rochs Vorgesetzter Moritz Leuenberger müsste für die Leiden des Mädchens eigentlich mehr Verständnis haben. Im Dezember 1997 liess der Bundesrat selbst seine Wohnung in der Nähe des Kinderspitals Zürich auf Elektrosmog untersuchen. In der Nachbarswohnung war ein Kind an Leukämie erkrankt.
Im ganzen Haus massen die Fachleute des Instituts für Biologische Elektrotechnik (IBFS) «hohe elektrische Felder». Ebenso registrierten die IBES-Leute «aus biologischer Sicht starke Felder durch Mobilfunkstrahlung, die von Antennen beim Kinderspital ausging».
Moritz Leuenberger und Lebenspartnerin Gret Loewensberg sowie die Nachbarn liessen daraufhin ihre Wohnungen abschirmen. Die Arbeiten waren gemäss Josef Peter, Präsidentdes IBES, umfangreich: Die Elektrobiologen mussten unter anderem «Netzfreischalter einbauen», die «Strom führenden Wasser- und Heizungsleitungen untertrennen» und «die Erdung neu konzipieren». Die Totalsanierung kostete mehrere Tausend Franken.
Im Januar 1999 liess der Energieminister auch seine Dienstwohnung in der Berner Altstadt auf Elektrosmog untersuchen. Hier registrierten die IBES-Fachleute eine «aus biologischer Sicht erhebliche Strahlenbelastung, die von Hausinstallstionen und von nahe gelegenen Mobilfunkantennen ausging». Eine Abschirmung und Totalsanierung kam «wegen der Komplexität der Einflüsse» aber nicht in Frage. Einige Monate später verliess der Energieminister die Wohnung.

Durch seinen Pressesprecher Hugo Schittenhelm liess er dem K-Tipp ausrichten: «Bundesrat Leuenberger nimmt dazu keine Stellung.»

FMH-Ärzte verlangen höhere Grenzwerte

Rudi Gonseth, Nationalrätin der Grünen, versteht Leuenberger nicht: «Falls er wegen des Elektrosmogs die Wohnung wechselt, aber nicht für tiefere Grenzwerte eintritt, lässt er die Leute, die ihre Wohnung nicht wechseln können, im Stich.«
Der Grenzwert für Natelantennen beträgt in der Schweiz 6 Volt pro Meter. Zu hoch - kritisieren die Schweizer Ärzteverbindung FMH und die Gruppierung der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU). Die beiden Ärzte-Verbände haben im Januar 2001 vom Bund verlangt, den Grenzwert auf ein Zehntel des jetzigen Wertes zu reduzieren - konkret also auf 0,6 Volt pro Meter. Das sei nötig «zum vorbeugenden Schutz der öffentlichen Gesundheit».

«Es gibt wissenschaftliche Hinweise, dass gesundheitliche Störungen auch dann auftreten können, wenn die Strahlung unterhalb der Schweizer Grenzwerte liegt», sagt Bernhard Aufdereggen, Präsident der Ärzte für Umweltschutz. «Die Anwohner von Natel-Antennen klagen etwa über Befindlichkeitsstörungen wie Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Unwohlsein und Gliederschrnerzen.»

Noch im Dezember 2000 wollte aber Bundesrat Leuenberger nicht auf solche Forderungen eingehen. «Es ist keine Rede davon, den Grenzwert nochmals zu verschärfen», sagte er im Parlament auf eine Anfrage von FDP-Nationalrat Duri Bezzola.

Artikel veröffentlicht:
14.02.2001
Autor:
Stephan Pfäffli | Konsumentenzeitschrift K-Tipp
Quelle:
K-Tipp | 14.02.2001

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