Festakt 20 Jahre Infomobilfunkgruppe Neckartenzlingen

Bürgermeisterin: "Wir haben gemeinsam Hand in Hand gearbeitet zum Wohle unserer Bürgerschaft"
Am 28.6.2025 feierte InfoMobilfunk Neckartenzlingen und Umgebung sein 20-jähriges Bestehen. 50 Gäste kamen zur Feier. Es ist außergewöhnlich, dass eine Bürgerinitiative so lange bei der Sache bleibt. Die Initiative ist fester Bestandteil des Gemeindelebens, das würdigte die Bürgermeisterin in ihrem Grußwort. Den Festvortrag mit dem Titel "Auf dem Weg zur Digital-Only Gesellschaft" hielt Peter Hensinger, Vorstand von diagnose:funk.
Der stv. Bürgermeister Jürgen Schöllhammer (links) übergibt Helmuth Kern (rechts) und Bert Hauser (2.v.r) einen Scheck der Gemeinde über 200 Euro und dankte für die Zusammenarbeit. Peter Hensinger (2.v.l.) hielt den Festvortrag.Bild: Ingrid Schaeffer

 

"Wir haben gemeinsam Hand in Hand gearbeitet zum Wohle unserer Bürgerschaft, um die Strahlungsintensität so gering wie möglich zu halten" (Bürgermeisterin Melanie Braun)

 

Grußwort der Bürgermeisterin Melanie Braun, vorgetragen vom stellvertretenden Bürgermeister Jürgen Schöllhammer

Liebe Mitglieder der Infomobilfunkgruppe, werte Festgäste,

heute ist ein ganz besonderer Tag. Wir feiern das 20-jährige Bestehen der Infomobilfunkgruppe Neckartenzlingen.  Ein Jubiläum, das nicht nur Anlass zum Rückblick bietet, sondern auch zum Dank und zur Anerkennung für zwei Jahrzehnte ehrenamtlichen Engagements und sachlicher Aufklärung.

Ein Blick zurück – 20 Jahre engagierte Aufklärung

Im Jahr 2005, als die Diskussionen um die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung noch in den Kinderschuhen steckten, wurde die Infomobilfunkgruppe gegründet. Ihr Ziel war es, die Bürgerinnen und Bürger sachlich und fundiert über die Risiken und Folgen der mobilen Kommunikation zu informieren. Seitdem erscheinen wöchentlich Beiträge im Neckartenzlinger Amtsblatt, die sich mit Themen rund um Mobilfunk, Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft befassen. In den letzten 20 Jahren wurden so über 860 Artikel veröffentlicht – ein beeindruckendes Zeugnis für die Kontinuität und das Engagement der Gruppe.

Was die Infomobilfunkgruppe auszeichnet, ist ihre wissenschaftlich fundierte Herangehensweise. Unter der Leitung von Prof. a.D. Helmuth Kern und Bert Hauser werden aktuelle Entwicklungen im Bereich Mobilfunk und Digitalisierung aufgegriffen und kritisch hinterfragt.

Dabei wird stets auf eine ausgewogene Darstellung geachtet, die sowohl Chancen als auch Risiken beleuchtet. Ein Beispiel hierfür ist der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt im November 2024, der die Auswirkungen digitaler Medien auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen thematisierte. Ein Thema, auf das man aufmerksam machen muss, da die Medienwelt zu unserem Alltag gehört. Man sollte sich deren Auswirkungen bewusst sein.

Die Arbeit der Infomobilfunkgruppe beschränkt sich aber nicht nur auf die Veröffentlichung von Artikeln. Sie engagiert sich aktiv in der Gemeinde, organisiert Informationsveranstaltungen, führt Unterschriftenaktionen durch und steht im Dialog mit der Gemeindeverwaltung.  

  • Ein herausragendes Beispiel hierfür ist die Mitwirkung an der Entwicklung eines Mobilfunkvorsorgekonzepts, bei dem die Gruppe aktiv eingebunden war. Nein, mehr noch: Sie waren ausschlaggebend für dieses Konzept. Wir haben gemeinsam Hand in Hand gearbeitet zum Wohle unserer Bürgerschaft, um die Strahlungsintensität so gering wie möglich zu halten. Vielen Dank an diese Stelle für die sehr gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde.

In einer Zeit, in der die Digitalisierung rasant voranschreitet, stehen wir vor neuen Herausforderungen.

Die Infomobilfunkgruppe leistet einen wichtigen Beitrag dazu, die Auswirkungen dieser Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und die Bürgerinnen und Bürger zu sensibilisieren. Sie zeigt auf, dass Fortschritt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich bringt, die es zu bedenken gilt.

Im Namen der Gemeinde und des Gemeinderates möchte ich der Infomobilfunkgruppe für ihr herausragendes Engagement danken.

Sie haben in den letzten 20 Jahren einen unschätzbaren Beitrag zur Aufklärung und zum Dialog in unserer Gemeinde geleistet.  Ihr Einsatz für eine informierte und verantwortungsbewusste Auseinandersetzung mit den Themen Mobilfunk und Digitalisierung verdient höchste Anerkennung.

Ich freue mich auf viele weitere Jahre der Zusammenarbeit und des Dialogs. Möge die Infomobilfunkgruppe auch in Zukunft eine wichtige Stimme in unserer Gemeinde sein.

Herzlichen Glückwunsch zum 20-jährigen Jubiläum! Wir dürfen Ihnen das Jubiläumsgeld überreichen, welches Sie für Ihre Aufklärungsarbeit nutzen können.

Vielen Dank.

Peter Hensinger hielt den FestvortragBild: Helmuth Kern

Zentrale Thesen des Fest-Vortrags von Peter Hensinger MA

 

 

Auf dem Weg zur Digital-Only Gesellschaft

„Der Koalitionsvertrag, ein Diktaturbesteck, schlüsselfertig und maßgeschneidert“ (ChaosComputerClub)

 

 

 

Peter Hensinger kritisiert in seinem Festvortrag in Neckartenzlingen die Entwicklung unserer Gesellschaft in Richtung einer „Digital-Only“-Zukunft, wie sie im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung festgelegt ist. Der Vortrag analysiert die Digitalisierung als umfassende gesellschaftliche Umwälzung – mit schwerwiegenden politischen, ökologischen und sozialen Folgen.

  1. Drei Ausgangsthesen:
    1. Da die Digitalisierung mit großer Geschwindigkeit ausschließlich nach Macht- und Profit-interessen durchgesetzt wird, kommt das positive Potenzial, das in ihr steckt, nur bedingt zum Zuge. Unter nicht-kapitalistischen Bedingungen könnte die Digitalisierung eine neue Produktivkraft zur besseren Organisation der Gesellschaft sein.
    2. Die Digitalisierung als Geschäfts­­­­­­modell der Industrie wirkt als „Brandbeschleuniger ... der Übernutzung natürlicher Ressour­cen“. Die Digitalisierung gefährdet „sogar (den) schieren Fortbestand des Anthropos (des Menschen) auf der Erde. Nur wenn es gelingt, die digitalen Umbrüche in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten, kann die Nachhaltigkeitstransformation gelingen. Digitalisierung droht ansonsten als Brandbeschleuniger von Wachstumsmustern zu wirken, die die planetarischen Leitplanken durchbre­chen.“ (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen)
    3. „Mit der Digitalisierung verwandeln wir unser Leben, privat wie beruflich, in einen Riesencomputer. Alles wird gemessen, gespeichert, analysiert und prognostiziert, um es anschließend zu steuern und zu optimieren." (Yvonne Hofstetter „Das Ende der Demokratie“) "Aus dieser Infrastruktur, die um uns herum entstanden ist, noch einmal rauszukommen, noch umzusteuern, das wird schwer … Zu keiner Zeit in der Menschheitsgeschichte hat es derart gute Bedingungen für eine totalitäre Diktatur gegeben wie heute. Was Hitler an Propaganda-Möglichkeiten, was die Stasi an Überwachungs­apparat hatte, ist Kinderkram gegen das, was heute möglich ist." (Prof. Armin Grunwald, Leiter des Technikfolgenausschusses Deutscher Bundestag)
  2. Digitalisierung als Machtsystem:
    Die Digitalisierung wird von wirtschaftlichen Interessen getrieben und ist keine neutrale Technik. Statt gesellschaftliche Probleme zu lösen, vertieft sie bestehende Krisen wie Umweltzerstörung, Klimawandel und soziale Spaltung. Die geplante digitale Steuerung gesellschaftlicher Prozesse basiert auf der Theorie von „Social Physics“ und betrachtet den Menschen als kontrollierbaren Datensatz, die „gläserne“ Bürgerin und Bürger sind kein technischer Nebeneffekt, sondern Voraussetzung für Kontrolle und Steuerung.
  3. Smart City = Überwachung durch BigData:
    Die Umwandlung von Städten in Smart Cities bedeutet flächendeckende Erfassung und Kontrolle. Digitale Zwillinge jedes Bürgers, die geplante Schüler- und Bürger-ID, dienen als Grundlage für die politische Steuerung. Persönliche Freiheit, Privatsphäre und demokratische Grundrechte stehen auf dem Spiel.
  4. Gesundheits- und Umweltgefahren:
    Die digitale Infrastruktur – insbesondere LTE und 5G – verbraucht enorme Ressourcen, verschärft die Klimakrise und führt darüber hinaus zu biologischen Schäden für Mensch und Natur durch die Strahlung des Mobilfunks.
  5. Digitalisierung der Bildung:
    Die „digitale Bildung“ dient nicht der Mündigkeit, sondern der Anpassung an ein System totaler Kontrolle. Kinder werden auf Konsum und Selbstvermarktung konditioniert. Eigenständiges Denken, Naturerfahrung und soziale Fähigkeiten gehen verloren. Auch psychische und kognitive Folgen bei Kindern durch übermäßige Bildschirmnutzung und Strahlenbelastung sind die Folgen.
  6. Dataismus als neue Ideologie:
    Die Digitalisierung erzeugt eine neue religiös anmutende Ideologie – den „Dataismus“ und die künstliche Intelligenz –, die Algorithmen an die Stelle menschlicher Entscheidung und Freiheit setzt. Der Mensch wird zur verwertbaren Datenmasse degradiert.
  7. Kritik an der Selbstentmündigung:
    Hensinger warnt vor einer Gesellschaft, in der Menschen freiwillig auf ihre Freiheitsrechte verzichten – aus Bequemlichkeit, Angst oder dem Wunsch nach Sicherheit. Die Allgegenwart von Überwachungstechnologien führe zu Apathie oder narzisstischer Selbstvermarktung. Die digitalen Zwillinge eines jeden Bürgers, im Koalitionsvertrag Bürger-ID genannt, dienen der Machtausübung. „Digitalpolitik ist Machtpolitik“ heißt es im Koalitionsvertrag. Die Maßnahmen von Trump zur Entlassung unbequemer Staatsbediensteter zeigen, wie naiv die Meinung „Ich habe nichts zu verbergen!“ ist.

Fazit: Die Digitalisierung ist unter kapitalistischen Bedingungen eine destruktive Kraft. Sie dient primär der Machtausübung, der Überwachung und dem Erhalt eines unsere Lebensgrundlagen zerstörenden Wirtschaftssystems. Es braucht Aufklärung, Widerstand und Alternativen – insbesondere auf kommunaler Ebene. Die Entscheidung zwischen Freiheit und technischer Bequemlichkeit liegt auch bei jedem Einzelnen.

Zitat zum Schluss:
„Die Zeit wird kommen, da ihr euch entscheiden müsst zwischen dem, was richtig ist und dem, was bequem ist.“ (J.K. Rowling / Harry Potter)

>>> Download des Vortragstextes

 

Artikel veröffentlicht:
29.06.2025
Autor:
diagnose:funk
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