Auswirkungen künstlicher elektromagnetischer Felder auf Insekten

Eine kurze Darstellung des aktuellen Standes der Forschung in der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft
In der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft 1/2025 publizieren Peter Hensinger und Matthias von Herrmann den Studienüberblick „Auswirkungen künstlicher elektromagnetischer Felder auf Insekten“ mit dem Ziel einer sachlichen Dokumentation v.a. für die Umwelt- und Imkerverbände. Der Artikel fasst komprimiert die Historie und den Stand der Forschung zusammen. Er verbindet die Darstellung der Forschungslage mit politischen Forderungen nach der Anwendung des Vorsorgeprinzips, der Einrichtung strahlungsfreier Schutzgebiete und der Finanzierung unabhängiger Forschung (Artikel im Original unter Downloads).
Grafik: diagnose:funk

Autoren: Peter Hensinger, Matthias von Herrmann

Im Buch „Die erstaunlichen Sinne der Tiere“ beschreibt der Wissenschaftsjournalist Ed Young in zwei Kapiteln die Bedeutung elektrischer und magnetischer Felder für die Kommunikation, Orientierung und Jagd bei Tierarten wie Fischen, Gliederfüßern, Bienen und Hummeln.[1] Sie haben dafür hoch entwickelte Sinnesorgane. Doch wie reagieren sie auf technisch erzeugte elektromagnetische Felder (EMF), die durch Radar, Funk und seit ca. dem Jahr 2000 durch den Mobilfunk fast lückenlos die Umwelt bestrahlen? Besteht hier ein Schädigungspotential? Forschungsergebnisse weisen negative Einflüsse der nicht-ionisierenden Strahlung (NIS) auf Gliederfüßer (Arthropoden) nach, so z.B. auf Bienen und Hummeln. Die Studien legen nahe, dass EMF eine Rolle beim Insektensterben spielen könnten. Die Auswirkungen von EMF auf das Insektensterben sind jedoch komplex, denn es hat viele Ursachen, u.a. den Verlust von Lebensraum, den Klimawandel, den Einsatz von Pestiziden und Veränderungen in der Landnutzung. Die Wechselwirkung der vielen Noxen ist noch völlig unzureichend untersucht. Welche Rolle spielen dabei die künstlichen elektromagnetischen Felder?

Frühe Warnungen bereits vor 25 Jahren

Im Jahr 1999 organisierten die ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) und das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ein Symposium mit dem Titel: „Effects of Electromagnetic Fields on the Living Environment“. Hintergrund war, dass bereits damals viele Erkenntnisse über die Auswirkungen von EMF auf Insekten vorlagen. Im Tagungsband des Symposiums wurden daher Studien zu Auswirkungen von Strahlung auf Tiere und Insekten angemahnt:

„Zu den spezifischen Themen, die behandelt werden müssen, gehören

  • EMF-Exposition von Tieren, Pflanzen und Meeresorganismen,
  • Orientierungs- und Migrationswirkungen auf Vögel und Meeresorganismen,
  • Verhaltensänderungen bei Insekten“ (Tagungsband, S. 8).[2]

Doch diese Mahnung blieb ohne Konsequenzen. Die Forschungslage, die es bis dahin zu Wirkungen des geomagnetischen Feldes, von Radar und weiterer elektromagnetischer Felder verschiedener Frequenzen auf Tiere seit 1965 gab, z.B. von Wiltschko (Navigation)[3], Semm (Vögel)[4] und Warnke (Bienen),[5] wurde nicht systematisch ausgewertet. Studienergebnisse, die in den beginnenden 2000er Jahren erschienen, spielten die Behörden herunter, eigene Forschungsprojekte wurden nicht in Auftrag gegeben.

Mit Klick vergrößern!Grafik: Lancet

Abb. 1: Typische Tagesexposition gegenüber der natürlichen Hintergrundstrahlung (grün) und künstlichen elektromagnetischen Feldern in den 1950er (gelb) / 1980er (orange) / 2000er (rot) Jahre. Die gesetzlichen Grenzwerte (beruflich, Bevölkerung) auf Grundlage der ICNIRP-Empfehlungen sind oben in der Grafik als Linien eingezeichnet. (Quelle: Priyanka/Carpenter (2018), doi.org/10.1016/S2542-5196(18)30221-3, ergänzt durch diagnose:funk).

 

 

 

Der BUND erkannte früh die Risiken von EMF für Insekten

Die Relevanz von Untersuchungen wurde immer größer: Durch den Ausbau der Mobilfunk-Infrastruktur kam es erstmals in der Erdgeschichte zu einer flächendeckenden Befeldung mit künstlich erzeugter nicht-ionisierender Strahlung. Die Signalmuster sind in der Evolution völlig neuartig, die Strahlungsstärken milliardenfach über dem, was z.B. von Blitzentladungen ausgeht (siehe Abb. 1). Die Biologie ist also an diese neue Strahlung nicht angepasst und gleichzeitig reagiert sie darauf empfindlich.

Auf mögliche negative Folgen für Tiere wies der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) im Jahr 2008 in seinem Positionspapier 46 hin: „Schon in den 70er Jahren konnte festgestellt werden, dass Bienen unter dem Einfluss niederfrequenter Felder (10 bis 20 KHz) Stressreaktionen und ein stark reduziertes Rückfindevermögen zeigen. 2005 wurde in einer Pilotstudie zur Wirkung elektromagnetischer Strahlung auf Bienen festgestellt, dass Heimfindevermögen und Wabenbau empfindlich gestört wurden.“[6]

Der führende britische Insektenforscher Prof. Dave Goulson[7] schreibt 2021 in seinem Bestseller „Stumme Erde“: „Es scheint plausibel, dass solche Felder starke Verhaltensänderungen [bei Insekten; Anm. d. Verf.] auslösen können […] Die meiste Sorge bereitet mir der Umstand, dass auf diesem Gebiet so wenig geforscht wird. Wir haben eine Folge globaler Telekommunikationsnetze eingeführt, in einem riesigen, nicht replizierten Experiment, in dem quasi jedes Lebewesen auf diesem Planeten einer rasch steigenden Dosis hochfrequenter Strahlung ausgesetzt ist, obwohl uns die Konsequenzen noch gar nicht hundertprozentig klar sind“ (S. 221/223).

Mit Klick vergrößern!Grafik: Thill et al.2023

Abb. 2: Anzahl publizierter Insektenstudien zum Magnetsinn und zu elektromagnetischen Feldern (Grafik Thill et al. 2023)

 

 

 

 

 

 

 

Diese frühe Warnung des BUND und Goulsons Sorgen wurden inzwischen durch eine ständig wachsende Anzahl von Einzelstudien bestätigt und geklärt (Abb. 2). Einige aktuelle Beispiele:

  • Die Studie der chilenischen Arbeitsgruppe Molina-Montenegro et al. (2023)[8] berichtete von sinkender Bestäubungsleistung in der Nähe von Hochspannungsleitungen. Deutsche Imker berichten von Unruhe und aggressivem Verhalten von Bienen, das mit der Umsiedelung der Bienenstöcke weg von Hochspannungsleitungen verschwindet.
  • Nyirenda et al. (2022)[9] und Adelaja et al. (2021)[10] beobachteten abnehmende Insektendichte (Abundanz) in Relation zur Nähe einer EMF-Quelle (Mobilfunkmast).
  • Migdal et al. (2023, 2024)[11] wiesen Beeinträchtigungen des Immunsystems, des Nährstofftransports und oxidativen Zellstress bei Bienen durch eine 900 MHz-Bestrahlung (Mobilfunk) nach.
  • Eine Studie der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim, die höchste wissenschaftliche Kriterien erfüllt, wies im Feldversuch ein gestörtes Heimfindeverhalten von Bienen nach, wenn diese ihr 7-wöchiges Leben lang WLAN-Strahlung ausgesetzt waren (Treder et al. (2023), Abb. 3 und 4).[12]

Spätestens das Studienergebnis der Uni Hohenheim, das auch auf dem jährlichen Kongress des Deutschen Imkerbundes vorgestellt wurde, hätte zu einer breiten Risikodebatte führen müssen. Dass dies nicht geschah, zeigt, wie das Thema Mobilfunkstrahlung von kognitiver Dissonanz und einem Fortschrittsnarrativ überlagert ist, denn die Erkenntnisse stellen das eigene Nutzerverhalten in Frage. Geht die Liebe zum eigenen Smartphone so weit, dass deswegen die wissenschaftlich nachweisbaren Schäden negiert werden?

Grafiken aus der Studie von Treder et al. (2023): Definierte Exposition von Honigbienen-Völkern bei simulierten hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (RF-EMF): Negative Wirkungen auf das Heimkehr-Verhalten, aber nicht auf die Entwicklung der Brut und die Lebensdauer.

Gesamtergebnis der Studie / Anklicken VollbildGrafiken: Treder et al. (2023)

Abb. 3: Die Ergebnisse der Studie von Treder et al. (2023): Die Langzeit-Exposition mit hochfrequenten, getakteten und gepulsten EMF (hier: WLAN) hatte einen deutlich negativen Einfluss auf die Orientierungsfähigkeit der Honigbienen bei der Futtersuche. (Grafik: Treder 2023).

8 bestrahlte Gruppen / 8 Kontrollen. Anklicken VollbildGrafiken: Treder et al. (2023)

Abb. 4: Die Anzahl der Bienen, die erfolgreich zu ihren Bienenstöcken zurückfanden, unterschied sich signifikant: 95 % der Bienen in der unbestrahlten Kontrollgruppe kehrten erfolgreich zurück, verglichen mit nur 75 % der Bienen in der EMF-Gruppe, die 7 Wochen lang der Strahlung ausgesetzt war (Grafik: Treder 2023).

 

 

 

 

 

diagnose:funk fördert unabhängige Studien

Auch diagnose:funk legte Analysen vor. Wir beauftragten den Umweltwissenschaftler Alain Thill und die Redaktion des ElektrosmogReport, für uns die Studienlage zu analysieren. Im Jahr 2020 erschien Thills erster Review „Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Insekten“ als Beilage in umwelt-medizin-gesellschaft, 2021 sein Artikel „Desorientierung durch elektromagnetische Felder beim Vogelzug“ auf der Homepage von diagnose:funk.[13] Auf diese Entwicklung der Studienlage reagierte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mit einer Abwertung der vorliegenden Ergebnisse mit dem verblüffenden Argument: „Das aktuell viel diskutierte Insektensterben hat bereits Anfang der 90er Jahre, vor dem flächendeckenden Ausbau des Mobilfunks, begonnen. Deswegen kommt Mobilfunk als eine wesentliche Ursache nicht in Frage.“[14] Dass Mobilfunk ein neuer Faktor sein könnte, dessen Anteil an der Beschleunigung des Insektensterbens erforscht werden muss, wird hier offensichtlich ausgeblendet. Das BfS legitimiert seine Untätigkeit sich selbst gegenüber mit einer fadenscheinigen Argumentation, die weder vom Schutzgedanken noch vom Vorsorgeprinzip geprägt ist. Dies entspricht der Unlogik der Argumentation der Klimawandelleugner, Temperaturschwankungen, Eis- und Warmzeiten hätte es schon immer gegeben, deswegen bestehe kein Forschungs- und Handlungsbedarf.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss fordert vehement Studien

Die Behörden blockieren den wissenschaftlichen, ergebnisoffenen Erkenntnisgewinn nach der Devise „Digital First. Bedenken Second“. Dies hat vermutlich eine Ursache in der staatlichen Förderung des Mobilfunkausbaus als einem Schlüsselfaktor für das Wirtschaftswachstum. Begründet ist auch die Vermutung, dass im Gegenzug für 55 Milliarden Euro bezahlter UMTS / LTE-Lizenzgebühren durch die Mobilfunkbetreiber ab 2001 die Behörden auf ein regulatorisches Eingreifen verzichten.[15] Doch 24 Jahre nach dem eingangs erwähnten BfS-Symposium mahnt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) im Amtsblatt der EU vom 29.09.2023 nochmals Studien an: „Der EWSA regt an, im Rahmen einer EU-Studie genaue Daten über die Auswirkungen der von Mobilfunkantennen ausgehenden elektromagnetischen Strahlung auf wilde Bestäuber in ihren natürlichen Lebensräumen zu erheben und die für einen wirksamen Schutz von Bestäubern erforderlichen politischen Maßnahmen zu ermitteln“ (Abschnitt 1.8).[16] Diese Studien liegen inzwischen vor, allerdings weder von der EU noch vom Bundesamt für Strahlenschutz beauftragt.

Schweizer Studie redet Klartext

Das Gesamtergebnis bisheriger Einzelstudien klären zwei aktuelle Reviews. Die Erkenntnisse über die Gefährdung von Insekten durch elektromagnetische Felder seien nicht mehr nur ungewiss, sondern näherten sich den Beweisen. Das ist die Hauptaussage eines Reviews für das Bundesamt für Umwelt (BAFU) der Schweiz, erstellt an der Universität Neuchâtel. Dieser Review von Mulot et al. (2022) gibt eine Einschätzung des Risikopotenzials: „Anthropogene NIS [nicht-ionisierende Strahlung; Anm. d. Verf.] stellen eine potenzielle Bedrohung für Arthropodenpopulationen dar, da sie den Selektionswert (Fitness), die Fortpflanzung und das Verhalten von Individuen beeinträchtigen.“ Die Schlussfolgerung: „NIS wirken eindeutig subletal auf Arthropoden, sowohl auf der Ebene der Zellen als auch des Organismus.“[17] Dass Mobilfunk ein neuer Faktor beim Insektensterben ist, stellt diese Studie damit in aller Klarheit dar, im Gegensatz zur selbstgefälligen Position des BfS.

BEEFI-Studie: umfangreichste Auswertung der Studienlage zu EMF und Insekten

Das Ergebnis von Mulot et al. wird durch den bisher umfangreichsten Review, die systematische Metaanalyse von Thill, Cammaerts & Balmori (2023), bestätigt: „Biological Effects of Electromagnetic Fields on Insects: a Systematic Review and Metaanalysis“ (kurz: die BEEFI-Studie).[18] Für die Studie wurden 119 peer-reviewte wissenschaftliche Einzelstudien ausgewertet. Die Ergebnisse von 51 Studien konnten aufgrund der guten Datenqualität sogar für eine Meta-Analyse (= Neuberechnung) verwendet werden. Das Gesamtergebnis der BEEFI-Studie: „Nicht-thermische biologische Wirkungen von EMF sind im Labor nachgewiesen“ (S. 1). Diese Effekte wirken sich auf die Fortpflanzungsfähigkeit, das Verhalten, die DNA und die Gesundheit der Insekten aus. Die Laborergebnisse, die Schädigungen nachweisen, ließen sich zwar nicht 1:1 auf die Feldwirkungen übertragen, so Thill et al., aber: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die im Labor gezeigten Effekte auch unter realen Bedingungen auftreten“ (S. 8). Die BEEFI-Studie dokumentiert neue Feldstudien, die dies bestätigen. Im Feld sind Insekten darüber hinaus nicht nur EMF ausgesetzt, sondern weiteren schädigenden Einflüssen, so dass durch Kombinationswirkungen von einer noch stärkeren Schädigung ausgegangen werden muss. Der Stand der Forschung erfordert die Anwendung des Vorsorgeprinzips beim Mobilfunkausbau. Die Details, die Thill et al. darstellen, zeigen die Brisanz der Erkenntnisse. Es sind drei Haupterkenntnisse, die sofortige Konsequenzen für den Artenschutz nach sich ziehen müssen:

Erstens: Die reale Bestrahlungssituation schädigt, die ICNIRP-Grenzwerte schützen nicht ausreichend. Die epidemiologischen und die biologischen Feldstudien zeigen chronische negative Wirkungen auf Insekten und Vögel in der Umgebung von Mobilfunktürmen bei den derzeitigen Leistungspegeln.[19] Die Grenzwerte auf Basis der ICNIRP-Empfehlungen schützen lediglich Menschen vor zu starker Erwärmung. Sie sind weder auf Tiere und Pflanzen ausgelegt noch auf den Schutz vor nicht-thermischen biologischen Effekten. Thill et al. schlussfolgern: „Diese Erkenntnisse über biologische Wirkungen bei Insekten ab etwa 2 V/m [= 10.000 µW/m²; Anm. d. Verf.] implizieren, dass die bestehenden Normen überarbeitet und verschärft werden müssen, um die Belange des Naturschutzes und der Tierwelt zu berücksichtigen“ (Thill, S. 10).

Zweitens: Studien zeigen Schädigungseffekte u.a. auf Fortpflanzung, DNA, Verhalten sowie die Entstehung von oxidativem Stress. Die aus der Metaanalyse abgeleitete Toxizitätsschätzung „könnte im schlimmsten Fall als eine 50 %ige Zunahme von DNA-Schäden oder eine 33 %ige Verringerung der Fortpflanzungsfähigkeit interpretiert werden“ (ebda S. 6).[20] Beim Verhalten wird v.a. das Heimfindevermögen gestört, und Bestäuberleistungen sinken.

Drittens: Die Ergebnisse bisheriger Studien haben eine hohe Signifikanz trotz Schwächen in der Studienlage. Dass es noch große Forschungslücken gibt, liegt v.a. an der langjährigen Blockadehaltung der Behörden, die nicht in Forschungsvorhaben investierten und jahrelang diese Lücken nutzten, um Entwarnung zu geben nach der Devise: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“. So wurde selbstverursachtes bzw. angebliches Nicht-Wissen als Wissen ausgegeben. Mit dieser Taktik verhindert bis heute z.B. das Bundesamt für Strahlenschutz, dass Hinweisen nachgegangen wird. Diese Politik analysierte diagnose:funk in zwei Brennpunkten.[21] Thill et al. weisen diese Verharmlosungspolitik zurück: „In der überwiegenden Mehrheit der Studien wurden Auswirkungen festgestellt, die im Allgemeinen schädlicher Art sind. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Befunde das Ergebnis eines Zufalls sind […] Trotz dieser Unzulänglichkeiten [meist keine randomisierten kontrollierten Studien; Anm. d. Verf.] sind die konsistenten Ergebnisse zahlreicher Studien, die von verschiedenen Forschergruppen mit unterschiedlichen Protokollen durchgeführt wurden, ein unwiderlegbares Argument für schädliche Auswirkungen von NF- und HF-EMF niedriger Leistung auf Insekten“ (ebda S. 8).

Schlussfolgerung: Die Hinweise und Nachweise erfordern eine vorsorgende Schutzpolitik

Auf Grund dieser Forschungslage müsste eine verantwortungsvolle Umweltpolitik eine Strahlungsminimierung anstreben, dafür plädieren Thill et al.: „Auf der Grundlage einer Bewertung der Gesamtsituation der Studien über Insekten muss vor einem unbedachten Ausbau weiterer Mobilfunkinfrastruktur gewarnt werden, da schädliche Auswirkungen auf Insektenpopulationen zu erwarten sind, insbesondere wenn Wechselwirkungen mit anderen Noxen berücksichtigt werden (u.a. Hochspannungsleitungen und künstliche Beleuchtung). Dies könnte zu einem weiteren Rückgang der bereits schwindenden Bestäuberpopulationen führen und würde somit Kosten für die Menschheit mit sich bringen“ (ebda S. 11).

Die Autoren plädieren für die Finanzierung und Durchführung von Feldstudien. Aufgrund der vielen Hinweise auf das Schädigungspotential fordern sie die Anwendung des Vorsorgeprinzips ein. Weitere Forschung und Untersuchungen seien erforderlich, auch um Wechselwirkungen mit anderen Faktoren herauszufinden.

Unsere Sonderhomepage www.insekten-schuetzen.info (Deutsch, Englisch) zu EMF und Insektensterben mit Video

Bundespolitische Forderungen zum Schutz der Insekten

Mit der BEEFI- und der Mulot-Studie liegen zwei aktuelle und umfassende Forschungsüberblicke vor, die nachweisen, dass technisch erzeugte elektromagnetische Felder sich negativ auf den Organismus von Insekten auswirken - und zwar bei Leistungsflussdichten (Strahlungsstärken) im Normalbetrieb der Sendeanlagen und damit weit unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Die Ampel-Regierung wollte Ende 2024 mit dem Telekommunikationsnetzausbaubeschleunigungsgesetz (TkNaBeG) den Bau von Mobilfunkmasten als „überragendes öffentliches Interesse“ definieren – und damit von Umweltauflagen freistellen. Dagegen protestierten Umweltverbände.[22] Die Erkenntnisse aus den vorliegenden Studien gebieten den Schutz von Insekten vor den Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung. Insekten brauchen keine Bestrahlung, sondern Erholung. Immerhin: Sowohl die weiteren Lesungen als auch die Verabschiedung des TkNaBeG gingen mit der Ampelregierung unter.

Basierend auf der BEEFI-Studie führt diagnose:funk die Kampagne „Stummer Frühling“ durch, mit einer eigenen Homepage www.insekten-schuetzen.info. Auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen basierend, fordert diagnose:funk von der Bundespolitik Maßnahmen zur Minimierung der Strahlenbelastung sowie den Erhalt und den Ausbau von funkfreien Schutzzonen für Insekten. Das bedeutet:

  1. Um Insekten zu schützen, muss die Bundesregierung die Mobilfunkversorgung auf maximal 100 µWatt/m² beschränken (grüne Linie in Abb. 1). Empfang ist dabei weiterhin mit voller Bandbreite möglich.
  2. In Naturschutzgebieten dürfen keine neuen Mobilfunksendemasten gebaut oder weiter betrieben werden. Dazu zählen Nationalparks, Naturschutzgebiete, Natura-2000-Gebiete, Kernzonen von Biosphärenreservaten.
  3. Die Wechselwirkungen zwischen elektromagnetischen Feldern und anderen Umweltschadstoffen müssen wissenschaftlich untersucht werden.
  4. Weitere Feldstudien müssen finanziert und durchgeführt werden, um weiter zu klären, wie Insektenpopulationen bereits durch die derzeitige Infrastruktur negativ beeinflusst werden.

Autoren:

Peter Hensinger, M.A., Vorstandsmitglied diagnose:funk / Matthias von Herrmann, M.A., Campaigner diagnose:funk / Korrespondenz: kontakt@diagnose-funk.de

Quellen

[1] Ed Yong (2022): „Die erstaunlichen Sinne der Tiere“, Verlag Kunstmann, München

[2] Matthes, Bernhard, Repacholi (2000): Effects of electromagnetic fields on the living environment, ICNIRP Cataloguing in Publication Data, Oberschleißheim

[3] Studien ab dem Jahr 1965 der Forschungsgruppe Wiltschko et al. (Universität Frankfurt) im emf-portal https://kurzlinks.de/vq1f

[4] Studien ab 1985 der Arbeitsgruppe um Semm im emf-portal: https://kurzlinks.de/fa1y

[5] Studien von Ulrich Warnke ab 1975 im emf-portal: https://kurzlinks.de/wue4

[6] BUND Positionspapier 46 (2008): Für zukunftsfähige Funktechnologien, Download: https://www.diagnose-funk.org/617

[7] http://www.sussex.ac.uk/lifesci/goulsonlab/

[8] Studienbesprechung auf: https://www.emfdata.org/en/studies/detail?id=805

[9] Studienbesprechung auf: https://www.emfdata.org/en/studies/detail?id=688

[10] Studienbesprechung auf: https://www.emfdata.org/de/studien/detail&id=757

[11] Migdal P, Plotnik M, Bieńkowski P, Murawska A, Berbeć E, Sobkiewicz P, Zarębski K, Latarowski K (2024): Changes in honey bee nutrition after exposure to radiofrequency electromagnetic field; Eur Zool J 2024; 91 (1): 172-179

Migdal P, Bieńkowski P, Cebrat M, Berbeć E, Plotnik M, Murawska A, Sobkiewicz P, Łaszkiewicz A, Latarowski K (2023): Exposure to a 900 MHz electromagnetic field induces a response of the honey bee organism on the level of enzyme activity and the expression of stress-related genes; PLoS One 2023; 18 (5): e0285522

[12] Studienbesprechung auf: https://www.emfdata.org/en/studies/detail?id=806

[13] Alain Thill (2021): Desorientierung durch elektromagnetische Felder beim Vogelzug, www.diagnose-funk.org/1727

[14] Bundesamt für Strahlenschutz: Insekten allgemein, https://kurzlinks.de/p972

[15] diagnose:funk Brennpunkt (2022): Wie die Telekommunikationsindustrie die Politik im Griff hat! PLZ­Gebiet 10117: Lobbyzone Berlin­Mitte! www.diagnose-funk.org/1788

Marco Bülow (2025): Korrumpiert. Wie ich fast Lobbyist wurde und jetzt die Demokratie retten will, Westend

[16] Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Überarbeitung der EU-Initiative für Bestäuber – Ein neuer Deal für Bestäuber“, Amtsblatt der Europäischen Union C 349/173, 29.09.2023,  https://kurzlinks.de/jb6u

[17] Mulot M., Kroeber T., Gossner M., Fröhlich J. (2022). Wirkung von nichtionisierender Strahlung (NIS) auf Arthropoden, Bericht im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Neuenburg, Juli 2022, https://www.diagnose-funk.org/1938

[18] Thill A, Cammaerts M-C, Balmori A. (2023): Biological Effects of Electromagnetic Fields on Insects: a Systematic Review and Metaanalysis, Rev Environ Health 2024; 39 (4): 853-869 www.emf-portal.org/de/article/52384

[19] Thill A, Cammaerts M-C, Balmori A. (2023): „Einige neuere epidemiologische Studien am Menschen und Feldstudien an Insekten, Vögeln und Kiefern in der Umgebung von Mobilfunktürmen deuten jedoch auf chronische schädliche Auswirkungen hin, selbst bei den derzeitigen Leistungspegeln“ (S.6 der Studie).“ „36 der 55 Hochfrequenzstudien, über die in dieser Übersicht berichtet wurde, verwendeten Feldstärken von weniger als 6 V/m (~100 mW/m2), und 31 dieser 36 Studien (86 %) fanden dennoch statistisch signifikante schädliche Wirkungen, die bei etwa 2 V/m beginnen und bei 6 V/m ihren Höhepunkt erreichen. Dies liegt unter den von der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) empfohlenen Grenzwerten (41 V/m bzw. 61 V/m über 2 GHz) und sogar unter den besonders strengen Installationsgrenzwerten, die nur in einer Handvoll Ländern gelten“ (S. 10).

[20] Thill A, Cammaerts M-C, Balmori A. (2023): „Bei den HF-EMF waren die beobachteten Wirkungen überwiegend schädlich (57 %). Etwa ein Viertel wurde als ungewisse Wirkung eingestuft (z. B. erhöhte oder verringerte Fortbewegung). Bei den NF-EMF (133 Experimente) wurde in 29 % der Experimente ein Verhaltenseffekt beobachtet, in 12 % der Experimente betraf die Wirkung den Stoffwechsel und in 11 % war die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt. Bei HF-EMF (238 Experimente) wurden die folgenden Trends beobachtet: verminderte Fortpflanzungsfähigkeit in 37 % der Experimente, verändertes Verhalten (18 %), oxidativer Stress (10 %), DNA-Schäden (7 %) und beeinträchtigte Entwicklung (5 %). In 10 % der Experimente konnte keine Wirkung festgestellt werden“ (S.7).

[21] Diagnose:funk Brennpunkt 2020: Klarstellung zum Review „Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Insekten“ – Heftige Debatte um die Insektenstudie

Peter Hensinger / Jörn Gutbier (2020): Der Kausalitäts-Betrug, diagnose:funk Brennpunkt

[22] Brandenburgische Naturschutzverbände fordern: Keine Mobilfunkmasten in Naturschutzgebieten! https://www.diagnose-funk.org/2133

Artikel veröffentlicht:
19.05.2025
Autor:
Peter Hensinger / Matthias von Herrmann
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