Schulleiterin über soziale Medien: „Wir verlieren unsere Kinder“ - Eltern und Lehrer sind ahnungslos

Was soziale Medien mit unseren Kindern machen. Ein Buch über den Schulalltag und wie wir verdrängen.
Kinder sehen auf ihren Smartphones Pornos, Kriegsverbrechen oder Tierquälereien – ohne Wissen der Eltern. Das schreibt Schulleiterin Silke Müller in ihrem Buch «Wir verlieren unsere Kinder». Sie fordert dazu auf, nicht mehr wegzugucken. Müller weiß, wovon sie spricht: Ihre Schule, die Waldschule Hatten, gilt als digitale Vorzeigeschule. Zudem ist die Schulleiterin Digitalbotschafterin des Landes Niedersachsen.
Dieses Buch ist eine Pflichtlektüre!Titel: Droemer-Verlag

Mit ihrem Sachbuch «Wir verlieren unsere Kinder» will die Pädagogin Silke Müller nach eigenen Angaben Eltern, Lehrer und die Politik wachrütteln. Selbst Fünftklässler sähen nach ihren Erfahrungen auf ihren Smartphones schon Pornos, Kriegsverbrechen oder Tierquälereien, sagt die Leiterin der Waldschule Hatten im Landkreis Oldenburg. Eltern und Lehrer seien völlig ahnungslos, mit was Kinder und Jugendliche in Whatsapp-Gruppen, auf Tiktok oder Snapchat konfrontiert seien. «Gewalt, Missbrauch, Rassismus – Der verstörende Alltag im Klassenchat» heißt der Untertitel des Buches, das im April 2023 im Droemer-Verlag erschien.

Müller leitet eine Oberschule, die Kinder und Jugendliche von der 5. bis zur 10. Klasse beschult. Die 42-Jährige hält regelmäßig bundesweit Vorträge darüber, wie sich die Gewohnheiten der Schüler in den sozialen Netzwerken verändert hätten. «Ich beobachte eine zunehmende Verrohung, wie miteinander umgegangen wird», sagt Müller. «Die moralische Hemmschwelle sinkt immer weiter ab.» Mitschüler würden in sozialen Medien an den Pranger gestellt oder in Klassenchats Memes (Bilder mit Sprüchen) von Hitler verbreitet. In ihrem Buch beschreibt sie exemplarische, anonymisierte Vorfälle aus ihrer Schule.

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Die Lehrerin und Autorin Silke Müller diskutierte am 04.05.2023 bei Markus Lanz. Im youtube-Video stehen nur die ersten 30 Minuten, wer dann mehr sehen will, hier steht die >>> Vollversion.

«Wir müssen den Kindern und Jugendlichen eine ethische Orientierung geben auf dem Weg zur eigenen Medienmündigkeit»

Darunter ist der Fall einer 14-Jährigen, die heimlich von ihrem Freund während eines Videocalls bei erotischen Handlungen gefilmt wird. Am nächsten Tag veröffentlicht er das Video im Internet. In einem anderen Beispiel berichtet die Autorin von einer Zwölfjährigen, die während des Unterrichts mit einem erwachsenen Mann chattet, der ihr «perverse, pornografische Gedanken» schreibt. Dabei sei es einer Gruppe von Mädchen um die Challenge gegangen, wer als erste ein «Dickpic» geschickt bekomme, also ein Foto von einem Penis.

«Wenn man so was hört, ist man erst mal hilflos», sagt Müller. Ihre Schule sei keine Brennpunktschule, eher «Bullerbü». Was sie erlebe, gelte ihrer Erfahrung nach auch für andere Schulen. Ihrer Ansicht nach haben die bisherigen Maßnahmen der Medienerziehung versagt. «Wir müssen den Kindern und Jugendlichen eine ethische Orientierung geben auf dem Weg zur eigenen Medienmündigkeit», betont sie. Gefragt seien dabei Eltern, Lehrer und die Politik.

Mit ihrem Buch will sie den Verantwortlichen überhaupt erstmal bewusst machen, was bereits Neunjährige im Internet sehen. «Von vielen Eltern wird die Gefahr völlig ausgeblendet», sagt sie. Keinesfalls wolle sie die Digitalisierung verteufeln, im Gegenteil: Vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium erhielt sie 2021 die Auszeichnung als «Digitalbotschafterin».

Eltern müssten verstehen, was ihre Kinder im Internet machten. Dabei sei es zum Beispiel wichtig, selbst mal ein Onlinespiel zu spielen, für das sich der Nachwuchs begeistert. «Für Eltern ist es klar, dass sie keine Fremden ins Kinderzimmer lassen würden. Aber in Bezug auf Online-Spiele, in denen über Chatfunktionen auch Übergriffe durch Fremde stattfinden können, ist das Gefahrenbewusstsein kaum vorhanden», sagt Müller. Ihr sei es auch unverständlich, dass schon Zehnjährige ihr Smartphone abends mit ins Bett nehmen dürften.

Sie empfiehlt unter anderem Medienabende für Eltern an Schulen. An Müllers Oberschule werden dabei Videos und Textnachrichten präsentiert, die aktuell im Umlauf sind. «Jedes Mal blicken wir in schockierte Gesichter der Eltern, die uns hinterher beschämt rückmelden, dass sie um die Härte und das Ausmaß nicht gewusst hätten», schreibt die Autorin in ihrem Buch. Zudem rät sie, an Schulen Social-Media-Sprechstunden anzubieten, in der die Schüler ihre Erfahrungen besprechen können.

Diese Buch-Rezension ist aus news4teachers: https://www.news4teachers.de/2023/05/schulleiterin-ueber-soziale-medien-wir-verlieren-unsere-kinder-eltern-und-lehrer-sind-ahnungslos/

>>> Besprechung der Markus Lanz Sendung auf web.de

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diagnose:funk Video: Aufwach(s)en im Umgang mit digitalen Medien

Publikation zum Thema

Format: DVDSeitenanzahl: 40 Min. Hauptfilm, 75 Min. Bonustracks Veröffentlicht am: 23.02.2021 Bestellnr.: 954, Preis 17,90 EuroSprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

Aufwach(s)en im Umgang mit digitalen Medien

Was Eltern und Erzieher wissen sollten: Wie der Gebrauch digitaler Medien die Gehirnentwicklung beeinflusst
Inhalt:
Regie: Klaus Scheidsteger / Drehbuch: Gertraud Teuchert-Noodt, Peter Hensinger, Klaus Scheidsteger / Musik: Markus Stockhausen / Länge: 40 Minuten. Bonustracks: Vortrag Prof. G. Teuchert-Noodt zum Stand der Forschung (30 min) / Video über die Bedeutung des Stirnhirns (15 min) / Vortrag Peter Hensinger zum Forschungsstand WLAN (30 min). Diagnose:funk will Eltern und ErzieherInnen mit diesem Film darin unterstützen, die Entwicklung ihrer Kinder unter dem Einfluss digi­taler Medien bestmöglich zu verstehen. Ihr Kind soll zu einem gesunden, selbstsicheren und intelligenten Menschen he­ranwachsen, um später mit den komplexen Anforderungen des Lebens gut zu­rechtkommen zu können. Wie kann das gelingen, wenn Kinder heutzutage im Alltag unzähligen digitalen Medien ausgesetzt sind, die ihren Bewegungsdrang einschränken und ihre sinnli­chen Erfahrungen verkümmern lassen? Hier müssen Eltern und Erzieher die rich­tigen Entscheidungen treffen. Dieser Film vermittelt Wissen von berufener Seite, der Hirnforschung. Prof. Gertraud Teuchert-Noodt forschte an ihrem Institut über 25 Jahre über das Ler­nen und die Gehirnentwicklung. Ihre Erkenntnisse über die Wirkungen digitaler Medien auf die Gehirnentwicklung werden im Film verständlich dargestellt.
Format: DIN B5Seitenanzahl: 156 Veröffentlicht am: 30.10.2018 Bestellnr.: 111Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:media

Gesund aufwachsen in der digitalen Medienwelt

Orientierungshilfe für Eltern und alle, die Kinder und Jugendliche begleiten.
Autor:
Autorenteam diagnose:media
Inhalt:
Viele Beobachtungen und Studien von Experten zeigen, dass der zu frühe Kontakt von Kindern und Jugendlichen mit den neuen Medien mit erheblichen Risiken für ihre Entwicklung und ihre Gesundheit verbunden ist. Wir wissen heute: Erst wenn das Kind seine biologisch notwendigen Entwicklungsschritte in den verschiedenen Lebensabschnitten gut bewältigt hat, kann es die Fähigkeit zu einem kompetenten und selbstbestimmten Medienumgang entwickeln. Das Buch nimmt die übergeordnete Fragestellung auf, was Kinder bzw. Jugendliche für ihre gesunde Entwicklung in verschiedenen Entwicklungsphasen brauchen. Der pädagogische Standpunkt der Autoren versucht eine Balance aufzuzeigen zwischen den Wünschen der Kinder und Jugendlichen und den Einschränkungen, die als Vorsorgemaßnahmen zur Abwendung von Gefahren erforderlich sind.
Artikel veröffentlicht:
05.05.2023
Autor:
News4Teachers
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