In der Fachdiskussion ist unbestritten - Smart City ist vor allem ein Geschäftsmodell: „IBM, Siemens, Cisco und Google haben das Modell Smart City geschaffen“ heißt es im Stadtplaner-Sammelband „Smart City. Urban Studies“ von Sybille Bauriedl und Anke Strüver. Auch Huawei liefert dazu die komplette Infrastruktur, incl. chinesischer Überwachungstechnologie.
In der von der Stadt Stuttgart mit verfassten „Smart City Charta“ der Bundesregierung kann man nachlesen:
- „Post-voting society. Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen“.
Offene Worte! Von jedem Bürger immer zu wissen, wo er sich befindet und was er tut, ist die Smart City-DNA. Der gläserne Bürger ist ihre Voraussetzung. Smart City ist die Big Data-vernetzte Stadt, in der die Datenerfassung die Grundlage der Organisationsstruktur und politischen Steuerung ist. Dafür wurde in Stuttgart eigens das „Amt für Digitalisierung“ mit 400 Stellen geschaffen. Einige Eckpunkte des geplanten Umbaus:
Smart Mobility: Das Herzstück 5G-gesteuertes „autonomes Fahren“ soll mehr Individualverkehr auf der Straße ermöglichen. Die Zielsetzung: "Die digitale Optimierung des Verkehrs soll nicht der Reduktion des Verkehrsaufkommens dienen, sondern die Voraussetzung für sein weiteres Anwachsen schaffen" (Lange/ Santarius 2018:65). Die Automobilindustrie will den ÖPNV weitgehend durch autonome Autos zu ersetzen.
Internet der Dinge und Smart Home: Millionen neuer Geräte des Internets der Dinge sollen Konsum und Wachstum ankurbeln. Der sprechende Kühlschrank, mit WLAN vernetzte Saugroboter und Kaffeemaschinen, fernsteuerbare Rollläden, Alexa, Google Home und die Smartphones kommunizieren über die Mobilfunknetze und sammeln persönlichste Daten für Werbung, Politik und Sicherheitsorgane.
Smarte Energie: Die tatsächlichen Möglichkeiten, durch die Digitalisierung z. B. Energieverbräuche zu steuern, werden durch den Rebound-Effekt bei weitem zunichte gemacht. Milliarden vernetzter Geräte des Internets der Dinge werden den Energie- und Ressourcenverbrauch dramatisch in die Höhe treiben. Der Technikfolgenausschuss des Deutschen Bundestages schlägt in seinem Bericht 2022 Alarm. Der Energieverbrauch der IKT-Technologie steige bis 2030 um 300 %: „Die Annahmen für das Worst-Case-Szenario scheinen weiterhin plausibel, sodass ein Anstieg des Energiebedarfs auf maximal 58,5 TWh/a (von 22 TWh/a in 2022, d. Verf.) für 2030 denkbar erscheint.“
Smart School und Digitale Bildung: Schulbücher sollen durch Smartphones, Tablets und WLAN ersetzt, zentrale Schulclouds eingerichtet und Lehrer durch Software, Tablets und Lernroboter wegrationalisiert werden. Das eLearning in der geplanten Lernfabrik 4.0 wird von Algorithmen gesteuert. Die Cloud dafür ist beim Hasso-Plattner-Institut bereits eingerichtet.
Smarte Verwaltung: Nie mehr Schlange stehen für Personalausweise, Führerscheine und Visa, das wäre doch gut. Aber: Verwaltung ohne Personal, das dehumanisiert die Stadt. Jeder Bürger wird reduziert auf einen Datensatz, von seinem sozialen Status bis zum Gesundheitszustand.
Mobile Dateninfrastruktur: Für diesen explodierenden mobilen Datenaustausch braucht es neben dem Breitbandnetz tausende neue Mobilfunksender, die die Umgebung verstrahlen und Energiefresser sind.
Quintessenz: Mit der Smart City soll die Stadt zum Geschäfts- und Konsumfeld der IKT-Branche und in eine gigantische Überwachungszone umgebaut werden. Die Stadtplaner schreiben: "Entsprechend kann die vermeintliche Bürgerorientierung der Smart City lediglich als Tarnung von „Kauf-Mehr“ Strategien entlarvt werden“. In der Smart City kann keiner mehr ohne Smartphone und die Preisgabe seiner Daten am öffentlichen Leben teilnehmen. China und Orwell lassen grüßen. „Wenn Menschen digitale Prothesen benötigen, um BürgerInnen der Smart City zu werden, was passiert mit solchen, die diese nicht haben?“, fragen die Stadtplaner.
Die Algorithmen, die das digitale Profil jedes Einwohners anlegen, für Werbung und politische Einstufung nutzen, bleiben im Dunkeln: „Ein zentrales Problem ist, dass Intelligenz in der Smart City nicht von Bürgerinnen und Bürgern erwartet wird, sondern von Überwachungstechnologien,“ kritisieren die Stadtplaner. Genau dagegen protestierten die Einwohner von Toronto. Dort führte Google ein Smart City Pilotprojekt durch. Es musste nach massivem Bürgerprotest eingestellt werden.