TAB-Bericht „Energieverbrauch der IKT-Infrastruktur“: Klimawirkungen digitaler und mobiler Infrastrukturen

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages über den Energiehunger der Digitalisierung
Der Technikfolgenausschuss des Deutschen Bundestages hat den Bericht „Energieverbrauch der IKT-Infrastruktur“ (Juli 2022) publiziert. Ein brisantes Dokument angesichts der Energiekrise und der Aufrufe, Energie zu sparen.
TAB Bundestag Bericht Energie 2022

Verdreifachung des Energieverbrauchs

Der TAB-Bericht weist nach: Der Energie- und Ressourcenbedarf digitaler Infrastrukturen hat inzwischen ein enormes Ausmaß erreicht und steigt zukünftig exponentiell an, obwohl große Potentiale zur Energie- und Ressourceneinsparung auch in der Modernisierung der Mobilfunknetze liegen würden. Eine Kernaussage:

  • Die Annahmen für das Worst-Case-Szenario scheinen weiterhin plausibel, sodass ein Anstieg des Energiebedarfs auf maximal 58,5 TWh/a (von 22 TWh/a in 2022, d. Verf.) für 2030 denkbar erscheint“ (S.27). [1]

Das ist ein Anstieg um fast 300%. Um die Dimension diese Anstieges einschätzen zu können: Der Nettostromverbrauch in Deutschland betrug im Jahr 2021 rund 508 Terawattstunden, der Verbrauch von Hamburg im Jahr 2019 bei 11,775 TWh. Das bestätigt unsere These: Als Geschäftsmodell der Industrie ist die Digitalisierung ein Klimakiller. Das wird in der öffentlichen Diskussion nicht problematisiert, im Gegenteil, die Digitalisierung wird ohne regulatives Eingreifen des Staates gefördert, die Smart City-Projekte, Pläne für das autonome Fahren oder die Digitalisierung der Schulen sind Beispiele. Der TAB schreibt:

  • „Das Anwendungsfeld der privaten Internet- und digitalen Mediennutzung gilt als wichtiger Treiber für das Ansteigen des IKT-bedingten Energiebedarfs. Dieser setzt sich aus dem Energieverbrauch der Endgeräte, die in privaten Haushalten in Deutschland in enormer Zahl im Einsatz sind (u. a. Fernsehgeräte, Spielekonsolen, Geräte für den digitalen Audioempfang), sowie den durch die Nutzung induzierten Energieverbrauch in Rechenzentren und Übertragungsnetzen zusammen. Aber nicht nur die Nutzung, sondern auch die sehr energieintensive Herstellung der elektronischen Geräte trägt in erheblichem Umfang zum Energieverbrauch bei.“ (S.16)

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d:f Artikelserie: Digitalisierung, Mobilfunk, 5G und ihre Auswirkungen auf das Klima

Die ungebremste Digitalisierung ist durch ihren massiven Energie- und Ressourcenverbrauch zu einem Brandbeschleuniger der Klimakrise geworden. In der Serie listen wir zahlreiche Untersuchungen, die diesen Zusammenhang unter verschiedenen Aspekten darstellen.

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Ohne regulierendes Eingreifen des Staates ist die Digitalisierung ein Klimakiller

Der TAB widerlegt das Argument, durch neue Technologien wie 5G oder leistungsfähigere Smartphones werde ein Beitrag zum Energiesparen geleistet. Der Rebound-Effekt zehrt diese Einsparungen nicht nur auf, sondern beschleunigt den Verbrauch:

  • „Dabei sinkt der Energieverbrauch der Endgeräte tendenziell, während bei dem durch die private Internet- und digitale Mediennutzung verursachten Energiebedarf in den IKT-Infrastrukturen eine entgegengesetzte Entwicklung zu beobachten ist. So stieg der Energiebedarf in den Übertragungsnetzen und in Rechenzentren zwischen 2010 und 2018 von 8,5 auf 10,7 TWh/a. Dabei beschleunigte sich der Anstieg seit 2015 deutlich: Lag dieser zwischen 2010 und 2015 noch bei 1,2 % p. a., wurden zwischen 2015 und 2018 jährlich 6 % mehr Energie in den IKT Infrastrukturen verbraucht.
  •  Als wichtige Ursachen hierfür gelten die zunehmende Vernetzung der Endgeräte und generell die stärkere private Nutzung von Internetdiensten (insbesondere Audio- und Videostreaming), wodurch immer mehr Rechenzentrumskapazitäten benötigt werden und der private Datenverkehr in den Übertragungsnetzen stark ansteigt. Die Folge davon ist, dass die IKT-Infrastrukturen einen immer größeren Anteil am Energieverbrauch der privaten Internet- und digitalen Mediennutzung beisteuern: Lag dieser 2010 noch bei 27 %, belief er sich 2018 bereits auf 41,4 %. Setzt sich dieser Trend fort, so ist künftig wieder von einer Erhöhung des Gesamtenergieverbrauchs durch die private Internet- und digitale Mediennutzung auszugehen.“
Grafiken aus TAB Energie Bundestag 2022

Verdreifachung des Stromverbrauchs durch 5G-Sendeanlagen

Der Bericht betrachtet das System aus Rechenzentren sowie Telekommunikationsnetzwerken und zeigt, dass trotz vergleichsweiser effizient betriebener Rechenzentren der Stromverbrauch in Deutschland enorm ansteigt. Bereits vor der Pandemie war 2019 mit etwa 14,9 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a) eine Steigerung von etwa 45 % gegenüber 2015 zu verzeichnen. Hinzu kommt noch der Strombedarf der Telekommunikationsnetze (etwa 7,1 TWh/a) und die Ressourcenbeanspruchung durch Nutzung der IKT- Strukturen im Ausland (entspricht mindestens 10 % des Energiebedarfs deutscher Rechenzentren).

Weltweit wird rückblickend für 2020 von einem Energiebedarf zwischen ca. 300 TWh/a und über 500 TWh/a ausgegangen. Bei den Telekommunikationsnetzen reichen die Berechnungen von etwa 250 TWh/a bis etwa 600 TWh/a (TAB S.26ff). Wäre das Internet ein Land, dann hätte es im Jahr 2020 bereits den sechstgrößten CO2-Ausstoß der Welt gehabt.[2]

Durch die COVID-19-Pandemie gab es einen Digitalisierungsschub, was die Nachfrage nach Clouddienstleistungen, der Internet-Nutzung etc. verstärkte und zu einem deutlichen Anstieg des Datenverkehrs in den Mobil- und Festnetzen führte. So verdoppelte sich bei einem exemplarisch untersuchten 5-Personen-Haushalt der Energiebedarf aufgrund der Nutzung von Geräten und IKT-Infrastruktur binnen eines Jahres:

  • „Die noch nicht beendete Pandemie hat Routinen und Verhaltensweisen verändert, die zu einem intensivierten Konsum von Unterhaltungsmedien sowie einer erhöhten Nutzung von inhaltlichen Medien im Rahmen des Homeschooling und -office geführt haben. Außerdem wurden deutlich mehr Neugeräte als in den vorherigen Jahren angeschafft.“ (S.40)  

Allein das neue Trendszenario des TAB-Berichts wurde gegenüber 2019 um den Faktor etwa sieben angehoben. Durch diesen Zuwachs kann das noch 2019 beschriebene Worst-Case-Szenario inzwischen die nun erwartete Entwicklung angeben: Gegenüber 2010 wird sich der Energieverbrauch für die IKT-Infrastruktur mit einem Anstieg auf 58,5 TWh/a bis 2030 rund verdreifachen. Was mit erheblichen ökologischen Auswirkungen einhergehen wird (Siehe dazu die Grafiken aus dem TAB-Bericht).

Auch die die heute generell übliche Software steigert maßgeblich den Energieverbrauch .[3] Und für die Produktion unserer Endgeräte wird allein zehnmal mehr Energie verbraucht, als bei der Nutzung. Der Umstieg vom 4G- auf das 5G-Netz bedeutet mehr als die Verdreifachung des Strombedarfes aller Sendeanlagen.[4]

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Rebound-Effekt egalisiert Einsparpotentiale

Zwar werden auch Effizienzpotenziale durch neue Technologien in den Fest- und Mobilfunknetzen festgestellt. Beispielsweise kann die 5G-Technologie zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen pro GB um 85 % gegenüber bisherigen Mobilfunktechnologien führen. Allerdings wird durch die Erhöhung übertragener Datenmengen und Anwendungen, durch mehr Antennen und Basisstationen sowie einem Anstieg des Energiebedarfs pro Basisstation offensichtlich ein höherer Energiebedarf im Mobilfunknetz insgesamt entstehen (TAB, S.30). Man spricht hier vom ‚Rebound-Effekt‘, den der TAB beschreibt:

  • „Aktuelle Studien bestätigen, dass neue Technologien in den Fest- und Mobilfunknetzen deutliche Effizienzpotenziale bieten. So zeigt eine Studie aus der Schweiz, dass die 5G-Technologie eine Reduktion der Treibhausgasemissionen pro GB um 85 % gegenüber bisherigen Mobilfunktechnologien ermöglicht (Bieser et al. 2020). Auch in einer Studie des Umweltbundesamts (Gröger et al. 2021) wurden Effizienzgewinne in dieser Größenordnung errechnet. Diese Studie zeigt auch, dass die Unterschiede in der Energieeffizienz der Datenübertragung zwischen Festnetz und Mobilfunknetz durch die 5G-Technologie deutlich geringer werden. Es ist allerdings anzumerken, dass durch eine Ausweitung der übertragenen Datenmenge der absolute Energiebedarf der Mobilfunknetze trotz der hohen Effizienzgewinne weiter ansteigen kann. Durch mehr Antennen und Basisstationen sowie einen Anstieg des Energiebedarfs pro Basisstation ist ein höherer Energiebedarf im Mobilfunknetz daher wahrscheinlich. Dies räumen auch die Mobilfunknetzbetreiber ein (etno 2022; Hatt/Kolta 2020).
  • "Wie schon im TAB-Bericht dargestellt, weist der Einsatz von Glasfasertechnologie (Fibre to the Building – FTTB/Glasfaseranschluss bis ins Gebäude; Fibre to the Home – FTTH/Glasfaseranschluss bis in die Wohnung) gegenüber kupferbasierten Digital-Subscriber-Line-(DSL)-Technologien ebenfalls deutliche Effizienzvorteile auf (Gröger et al. 2021; Obermann 2022). Wie aktuelle Berechnungen zeigen, würde ein reines Glasfasernetz weniger als halb so viel Strom benötigen wie ein kupferbasiertes DSL-Netz und sogar nur ein Viertel des Stroms des TV-Kabelnetzes (Obermann 2022). Hier ist allerdings zu beachten, dass auch bei einem raschen Ausbau von Glasfaser die verschiedenen Netze (kupferbasiertes DSL-Netz, TV-Kabelnetz, Glasfasernetz) auf absehbare Zeit parallel betrieben werden, sodass eine absolute Einsparung durch die verstärkte Nutzung von Glasfaseranschlüssen nur zeitverzögert eintreten wird.“(S.30/40)

Die Ergebnisse des UBA-Forschungsprojektes „Green Cloud-Computing“ warnen gerade im Hinblick auf deutlich effizientere kabelgebundene Netzwerke: „Der Mobilfunk ist für den Hausanschluss ungeeignet und aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes nicht tragfähig“ (UBA 2020:8). Diese Einschätzung erfährt eine noch wesentlich höhere Bedeutung, wenn das Mobilfunknetz optimiert würde und die Gebäudehüllen nicht mehr durchstrahlt werden müssten. Zusammen mit anderen Maßnahmen könnte die Strahlungsleistung um den Faktor einige 1000 reduziert werden und damit eine erhebliche Energieeinsparung erzielt werden. Auch ein lokales Roaming (‚ein Netz für alle‘) würde weitere Einsparungen erzielen und wäre mit den Anforderungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG begründbar. In diesem Gesetz heißt es:

  • "(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
  • 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
  • 2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
  • 3. die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können."

 

  • Der TAB-Bericht bestätigt: Die Kommunen müssen zu jedem Schritt der Digitalisierung, sei es für die Verwaltung, den Verkehr, die Energiesteuerung oder die Schulen, einen ökologischen Fußabdruck vorlegen.
  • diagnose:funk fordert alle Umweltorganisationen auf, aus den Fakten, die dieser TAB liefert, Konsequenzen zu ziehen.

Wir danken Prof. Wilfried Kühling für seine Analyse des TAB-Berichtes. Auf ihr fußt dieser Artikel.

Quellen

[1] Grünwald, R.; Caviezel, C.: Energieverbrauch der IKT-Infrastruktur. Endbericht zum TA-Projekt, 2022. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000151164, https://www.tab-beim-bundestag.de/publikationen.php

[2] Siehe: https://www.presseportal.de/pm/129257/5161614

[3] Siehe: https://www.zeit.de/2022/40/informatik-energeverbrauch-strompreis-klimaschutz-energiesparen

[4] Siehe: https://www.insidetelecom.com/5g-energy-efficiency-are-operators-doing-what-they-can/; 12.03.2020

Publikation zum Thema

Klima-FlyerGrafik: diagnose:funk
August 2022Format: A5Seitenanzahl: 4 Veröffentlicht am: 12.08.2022 Bestellnr.: 318Sprache: deutschHerausgeber: diagnose:funk

Digitalisierung = Klimakiller?

Digital First, Planet Second? Ein Faltblatt für Umwelt- und Klima-Aktionen
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
diagnose:funk stellt den Initiativen ein Faltblatt zur Verfügung über ein Überlebensthema der Menschheit: die fortschreitende Klimakatastrophe. Die Digitalisierung ist ein Brandbeschleuniger dieser Katastrophe, warnt der Wissenschaftliche Beirat globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU). Warum das so ist, weist der Flyer anhand vieler Fakten nach und zeigt Alternativen auf.
Artikel veröffentlicht:
30.10.2022
Autor:
diagnose:funk

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