„Wenn die Politik so weitermacht, kann es passieren, dass immer noch Beweise eingefordert werden, obwohl die Menschheit bereits mehrheitlich chronisch krank ist.“

Der Review von Schürmann/Mevissen „Gibt es Hinweise auf vermehrten oxidativen Stress durch elektromagnetische Felder? Eine Zusammenfassung neuerer relevanter Tier- und Zellstudien in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen“ schlug wie eine Bombe ein. Die Autoren dokumentieren, dass oxidativer Zellstress, der eine Grundlage entzündlicher Erkrankungen ist, von der Strahlung des Mobilfunks ausgelöst werden kann. Die Studie, finanziert vom Schweizer Bundesamt für Umwelt, bestätigt, was Dr. Ulrich Warnke schon seit 25 Jahren postuliert und durch den Review von Yakymenko et al. (2016) erneut bestätigt wurde. Über diese Entwicklung sprachen wir für unser Magazin kompakt mit Dr. Warnke.
Dr. Ulrich Warnke, Bild:privat

KOMPAKT: Herr Warnke, Sie haben bereits 2009 den Grundsatzartikel „Ein initialer Mechanismus zu Schädigungseffekten durch Magnetfelder bei gleichzeitig einwirkender Hochfrequenz des Mobil- und Kommunikationsfunks“ verfasst. Darin begründen Sie, dass ein Wirkmechanismus, wie elektromagnetische Felder Zellen schädigen, bekannt ist – nämlich der oxidative und nitrosative Stress. Woher hatten Sie Ihre Erkenntnisse? War es eine theoretische Hypothese oder basierte das bereits auf Ergebnissen von Forschungen an Zellen oder Tieren?

ULRICH WARNKE: Diese Erkenntnisse basierten auf eigenen – wegen Mangel an finanziellen Mitteln – nur der Orientierung dienenden Versuchen an Menschen bereits ab dem Jahr 1979. Hier ist ein Ergebnisbild von damals dargestellt; man sieht die Aufzeichnung der Einatmung und Ausatmung  von dem körpereigenen Radikal-Gas Stickstoffmonoxid (NO) im Einfluss schwacher pulsierender Magnetfelder.

Abb.1: NO-Atemluftmessung (relative Einheiten) bei Provokation mit magnetisch induzierten körperanalogen Impulsen. Schwarze Balken: Magnetfeld „an“. Eine Matrixeinheit = 1 Minute.Auffällig ist, dass die Latenzzeit zur Ausschüttung von NO nach jeder Provokation sinkt und gleichzeitig die ausgeschüttete Menge an NO geringer wird (nach Warnke 1994).

Dieses Körper-NO hat lebenswichtige Funktionen für Herz, Kreislauf, Immunsystem und Krebsbekämpfung. Es darf weder zu wenig ausgeschüttet werden, noch zu viel, da NO als Radikal und Enzymblocker bzw. Enzymaktivator wirkt. Sobald wir aber in unübliche Stärken von magnetischen oder elektromagnetischen Feldern geraten (im Bild als schwarze Balken markiert), wird vermehrt NO ausgeschüttet (im Bild als vergrößerte senkrechte Strichlänge sichtbar). Dies hat uns nicht erstaunt, denn Enzyme und ihre Regelkreise in Organismen, die aus Urzeiten stammen, sind elektro-/magneto-sensibel, so auch das Enzym, dass NO freisetzt, die NO-Synthase, samt ihrem Stoffwechsel.

Das wohl wichtigste Ergebnis unserer Recherchen war, dass alle diese Effekte nicht thermisch beeinflussbar sind; sie entstehen unabhängig von der Temperatur als Spin-Ausrichtungen (Rotationsvektoren als Singulett- und Triplettstadien), sind also magnetisch und elektromagnetisch im Verbund ausgelöst. Später erkannten wir, dass auch andere Forschungsgruppen einen Zusammenhang zwischen magnetischen und elektromagnetischen Feldern einerseits und der Produktion freier Radikale andererseits bereits erkannt hatten.

KOMPAKT: Können Sie uns in einfachen Worten erklären, was ROS (Reactive Oxygen Species) eigentlich sind? Welche Rolle spielen freie Radikale, was ist das von Ihnen definierte Redox-Gleichgewicht?

ULRICH WARNKE: In ihrer Arbeit bringen Schürmann/Mevissen das auf den Punkt: „Das oxidative Gleichgewicht muss aufrechterhalten werden, um das Funktionieren von Zellen und Organsystemen zu gewährleisten und pathologische Veränderungen zu verhindern“. Alles Material zum Aufbau eines Biosystems, alle Biosynthesen und Regenerationen benötigen die ausreichende Bereitstellung von Elektronen. Alle Oxidationen sind „Elektronenräuber“ und – bei übermäßiger Oxidation – Zerstörer der Ordnung innerhalb der Biomaterie. Im Organismus werden Elektronen hauptsächlich durch Enzyme verteilt. Sie enthalten oft selbst langlebige Radikalpaare und werden dadurch hoch sensibel für Magnetfelder und Hochfrequenzfelder.

Abb. 2: Elementare Prozesse innerhalb fast aller Lebenssysteme; aus umwelt·medizin·gesellschaft |18| 2/2005, Seite 111.

Der Organismus ist so konstruiert, dass er neben dem elektronenreichen (reduzierten) Zustand auch die oxidierten Zustände notwendig braucht, z. B. um Eindringlinge abzuwehren. NO-Gas wirkt im Körper auch zytotoxisch. Das ist gewollt, da das Immunsystem diese Eigenschaft gegen Bakterien,Viren und kranke Zellen einsetzt. Wird NO zu oft und zu viel, also übermäßig produziert, kann es durch Erschöpfung des Produktionsenzyms zum Mangel kommen. Und dadurch wird die ganze Sache so kompliziert: Zuwenig NO ist nämlich genauso schädlich: Die Zellenergiebildung, die Regeneration und viele vitale Funktionen von Herz, Kreislauf und Immunsystem leiden. Fazit: Der richtige NO-Level ist außerordentlich wichtig für den menschlichen Körper hinsichtlich Atmung, Herzfunktion, Kreislauffunktion, Sauerstoffspeicherung, Immunsystem und Krebsbekämpfung.

KOMPAKT: Welche Wissenschaftler haben vor Ihnen diese Mechanismen entdeckt?

ULRICH WARNKE: Miura et al. beschrieben bereits 1993 Untersuchungen am Rattengehirn. Sie verwendeten einen NO-Sensor direkt im Gehirngewebe. NO stieg mit dem Einschalten eines schwachen Feldes mit hochfrequenten Radiofrequenzen an, wodurch sich die kleinen Blutgefäße (Arteriolen) weiteten; ein Effekt, den wir bereits 1979 erkannt und in der Zeitschrift Physikalische Medizin veröffentlicht haben. Jahre nach unseren Versuchen gab es dann mehrere Bestätigungen des Effekts: Seaman et al. (2002) wiederholten frühere Versuche (Seaman et al. 1999) und fanden unter der Voraussetzung, dass ausreichend Nitrit im Körper vorhanden ist eine rapide Steigerung der NO-Produktion im Einfluss von Radiofrequenz-Pulsen (SAR [spezifische Absorptionsrate] von 0,106W/kg). PAREDI et al. 2001 bewiesen dann auch: NO wird auch durch elektromagnetische Strahlung, ausgehend vom Mobilfunk (Handy), verstärkt ausgeschüttet. Untersucht wurde in der Paredi-Arbeitsgruppe ein kommerzielles digitales 900-MHz-Handy während eines Konversationsgesprächs von 30 Minuten. NO wurde dabei über den Nasen-Atemweg gemessen – so wie wir es gemacht hatten. Die NO-Level stiegen tendenziell bei einer 10 minütigen Exposition an, dabei öffneten sich die Blutgefäße.

KOMPAKT: Ist das also der typische nichtthermische Effekt?

ULRICH WARNKE.: Ja, weil der Effekt absolut temperaturunabhängig abläuft. Der Primäreffekt der ROS- und NO-Bildung zeigt gravierende Folgeeffekte, die sich teilweise – je nach momentanen Stoffwechselbedingungen – hoch toxisch entwickeln: Wird durch Mobilfunkfrequenzen die NADH-Oxidase aktiviert (FRIEDMAN et al. 2007), schüttet sie ergiebige Mengen von Hyperoxidanionen O2-° ins extrazelluläre Milieu aus. Hyperoxidanionen reagieren weiter zu  Wasserstoffperoxid (H2O2), das dann die NO-Produktion um bis zu 100 % steigert (ZONGMING et al 2002). Aus H2O2 und Chlor wird toxische unterchlorige Säure. Stimulierung von freien Radikalen kann u. a. zu folgenden Pathologien führen:

  • Schädigung des Mitochondrien-Genoms
  • Schädigung des Zellkern-Genoms
  • Schädigung der Membranen
  • Aktivierung von Protoonkogenen

Nun ist dies hier ein Interview und die Leser erwarten keine Details, sondern einen Überblick. Dennoch stelle ich immer wieder fest, dass es den meisten Menschen, auch den Fachleuten an Kenntnissen über die allgemeine Schädigung durch Mobilfunk fehlt.

KOMPAKT: Wenn das REDOX-Gleichgewicht gestört ist, welche Krankheiten können dann entstehen?

ULRICH WARNKE: In meinem Artikel in umwelt·medizin·gesellschaft 2/2005 habe ich einen Überblick über die Krankheiten gegeben, die eine Folge der Entgleisung des oxidativen Gleichgewichts sein können. Das geht von Schlafstörungen, Erschöpfung und Fibromyalgie über Autoimmunerkrankungen Arteriosklerose, Parkinson und chronische Entzündungsprozesse, insbesondere im Nervensystem mit multipler Sklerose und amyotropher Lateralsklerose, bis hin zu Krebs .

Aus aktuellem Anlass sollten wir die Rolle des NO-Radikals im Immunsystem im Auge behalten: Das Immunsystem arbeitet mit inflammatorischen T4-Immunzellen, auch T-Helferzellen Typ1 (TH1) genannt. Sie organisieren die direkte Abwehr von Bakterien und Viren. Gleichzeitig arbeitet das Immunsystem mit dem evolutionsmäßig jüngeren Prinzip der T-Helferzellen Typ 2 (TH2). Sie organisieren die Antigen-Antikörper-Bildung.

Bei zu hoch auflaufender NO-Ausschüttung zum einen durch elektromagnetische Strahlung, zum anderen durch entzündliche Prozesse greift im Immunsystem ein evolutionsbiologisch programmierter Schutzmechanismus. Die NO-Gas-Produktion aus TH1 wird abgeschaltet (Warnke 1993). In diesem Fall treten innerhalb des Immunsystems die TH2 in den Vordergrund, die kein NO-Gas produzieren können, aber vermehrt Antikörper in den Lymphorganen aufbauen. Damit ist der sogenannte TH1-TH2-Switch vollzogen. Bei welchem NO-Level dieser Switch schaltet, ist abhängig von dem Glutathion-Gehalt der Zellen und von dem Vorhandensein der Aminosäuren Cystein und Methionin, also letztlich vom Ernährungszustand.

Die Folge des vollzogenen TH1-TH2-Switches ist, dass Bakterien und Viren nicht mehr ausreichend bekämpft werden. Hält der Zustand länger an, dann wird der Organismus latent anfälliger für opportunistische Infektionen und chronische Krankheiten. Es kommt zur subklinischen Chronifizierung von Infektionen mit wechselnder Schwere der Symptome. Das chronische Ermüdungssyndrom (CFS) sowie das sogenannte Burn-out-Syndrom können sich nun etablieren. Außerdem ist nach der Umschaltung auf die Antikörper-Verteidigung der Autoimmunität (Angriff auf die eigenen Organstrukturen) Vorschub geleistet und Rheuma und Arthritis halten eventuell verstärkt Einzug.

KOMPAKT: Wenn die krankmachenden Auswirkungen einer Überproduktion von freien Radikalen z. B. in der Ernährungslehre als Selbstverständlichkeit anerkannt sind, warum werden sie dann bei EMF  (elektromagnetischen Feldern) bestritten?

ULRICH WARNKE: Die Verantwortlichen reagieren in diesem Punkt schlau. Keiner sagt direkt, dass der Effekt bestritten wird; vielmehr ist er laut den Aussagen nicht ausreichend bewiesen.

KOMPAKT: Sie haben Ihre Erkenntnisse auch bei Behörden vorgetragen. Wie reagierte damals das Bundesamt für Strahlenschutz auf Ihre Erkenntnisse?

ULRICH WARNKE: Keine Reaktion. Es ist doch so: Solange die Medien nicht dieses Thema aufgreifen, und solange die Erkenntnisse der allgemeinen Bevölkerung über eine unsichtbare Gefährdung deshalb sehr gering sind, solange lassen sich politische Ziele sehr leicht durchsetzen. Ein Aufwachen wird erst stattfinden, wenn weltweit die chronischen Entzündungen nicht mehr einzudämmen sind und weltweit das Immunsystem der Menschen keine Angreifer mehr ausreichend abwehren kann.

KOMPAKT: Welche Bedeutung hat nun die Studie von Schürmann/Mevissen? Was ist neu an ihrem Review?

ULRICH WARNKE: Von Schürmann/Mevissen wurden Studien der letzten zehn Jahre bewertet. Ergebnis: Was früher schon bestens bekannt war, setzte sich in den letzten Jahren fort. Neu bei diesen Ergebnissen ist, dass nun nicht nur der altbekannte Wirkmechanismus der Veränderung des oxidativen Gleichgewichts durch Exposition gegenüber schwachen elektromagnetischen Feldern im Mittelpunkt steht, sondern auch die dadurch bedingte Schädigung der Organsysteme, also von Blut-, Nerven- und Immunsystem, Fortpflanzungs- und Reproduktionsorganen sowie Hautfibroblasten. Damit bewahrheitet sich experimentell, was wir früher nur aus der physiopathologischen Kenntnis heraus prognostizieren konnten. Das seit vielen Jahrzehnten verwendete Knock-out-Argument der Politik „Nichts ist außerhalb der thermischen Effekte bewiesen“ bekommt damit eine allgemein erkennbare Kehrtwendung. Denn auch, wenn hier Tierversuche im Vordergrund stehen, unterliegen diese Hinweise dem vorsorgemedizinischen Maßstab. Damit werden gerichtliche Erwägungen wahrscheinlicher.

KOMPAKT: Die Relevanz des Reviews von Schürmann / Mevissen wird vom Bundesamt für Strahlenschutz in Frage gestellt mit dem Argument, es sei nur ein narrativer und kein systematischer Review, und ein Münchner Gericht, bei dem er als Beweismaterial vorgelegt wurde, argumentierte, er sei nicht relevant, weil von Tierstudien nicht auf Menschen geschlossen werden könne.

ULRICH WARNKE: Zuerst zur Einschätzung des Review als narrativ und nicht systematisch: es ist richtig, dass hier ein Überblick über den aktuellen Wissensstand in dem Bereich „technisch erzeugte elektromagnetische Strahlung und induzierte molekulare Oxidation“ gegeben wurde. Ziel war es – wie der Titel sagt ("Gibt es Hinweise auf vermehrten oxidativen Stress durch elektromagnetische Felder? Eine Zusammenfassung neuerer relevanter Tier- und Zellstudien in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen"), - aktuell Bekanntes auf diesem Gebiet zusammenzufassen und bisher offene Fragen einzuordnen. Dazu benötigte es eine längere Referenzliste, zumal das Vorwissen bereits recht umfangreich ist. Das alles ergab die durchaus seriöse wissenschaftliche Sekundärforschungspublikation, wie sie hier vorliegt. Ein systematischer Review beinhaltet eine strengere qualitative Überprüfung der vorhandenen Literatur mit kritischer Analyse. Das allerdings war mit dieser Veröffentlichung überhaupt nicht geplant, da ein Gesamtbild der bisher vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen gezeichnet werden sollte. Genau dies ist aber genauso wichtig wie die kritische Analyse. In diesem Moment müssten die gesetzlich festgelegten Vorsorgemechanismen greifen.

Und dann zu der Einschätzung, dass aus Tierstudien nicht auf Menschen geschlossen werden kann: dieses Argument wird seit vielen Jahrzehnten von den politischen Behörden immer wieder verwendet, wenn es darum geht, die Datenlage, die eigentlich zur verantwortlichen Reaktion zwingen sollte,  abzuwenden.  Dabei ergibt sich aber ein immenser Widerspruch. Denn Tierversuche werden für die Beantwortung wissenschaftlicher Fragestellungen durchgeführt.  Zu den zulässigen Zwecken eines Tierversuchs zählen insbesondere die Grundlagenforschung, die Diagnose und Behandlung von Krankheiten bei Menschen und Tieren sowie die Sicherheitsüberprüfung von Arzneimitteln und Chemikalien wie das Bundesinstitut für Risikobewertung es formuliert (FAQ des BfR vom 2. September 2020, https://www.bfr.bund.de).

Für die Untersuchung von Wirkstoffen sind sogar Tests an mindestens zwei verschiedenen Tierarten (Nagetier, Säugetier) gesetzlich vorgeschrieben. Tierversuche für solche Zwecke heißen regulatorische Tierversuche. Durch diese Grundlagenforschung wird erkannt, wie der komplexe Organismus funktioniert, weil eben gerade die meisten Zellprozesse bei Tieren genauso wie beim Menschen ablaufen. Es gibt tatsächlich ein paar Ausnahmen, aber die durch Strahlung induzierten veränderten Redoxprozesse gehören zweifelsfrei bei Nagern und Säugern genauso zu der Beeinflussung von Vitalfunktionen wie beim Menschen. Auch die damit zusammenhängende Pathologie  von Nervenfunktionen und Immunsystemen bei Tieren dient dem Erkenntnisgewinn bezüglich Effekten bei Menschen. „Die wissenschaftliche Forschung an und mit Tieren, die im Rahmen des geltenden Rechts durchgeführt wird, ist ethisch nicht nur vertretbar, sondern zwingend geboten“, heißt es im Positionspapier, das von der Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin des Deutschen Hochschulverbandes vorgelegt wurde (Dtsch Arztebl 2002; 99(24): A-1639 / B-1407 / C-1292). Aus diesen Gründen ist das politische Argument „aus Tierstudien könnte nicht auf Menschenfunktionen geschlossen werden" äußerst befremdlich und dient keinesfalls dem Vertrauen in die staatlichen Institutionen.

KOMPAKT: Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen ROS und Elektrohypersensibilität?

ULRICH WARNKE: Elektrohypersensibilität entsteht durch eine besondere Ausgangslage wie z. B. bereits existierende ausgiebige ROS/RNS-Quellen im Organismus.  Die Studie von Schürmann/Mevissen verweist ja auch auf Untersuchungen, in denen die Personen eine höhere Sensibilität auf EMF-Exposition aufweisen, die  Vorschädigungen, wie Erkrankungen (Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen) oder zusätzliche Stressfaktoren haben. Das ist eigentlich selbstverständlich, nun aber durch Daten belegt.

Zu viel NO-Radikal-Wirkung entsteht durch zu viele latente Entzündungsvorgänge im Körper. Durch zu hohe NO-Level wird dann ein Umschalteffekt im Immunsystem des Organismus – wie oben beschrieben – ausgelöst (TH1-TH2-Switch): Die Folge davon ist eine mangelnde Bekämpfung von Bakterien und Viren bei gleichzeitig höherem Risiko für Autoimmunprozesse. Die Ausgangssubstanzen für die NO-Bildung einerseits und für die Abwehr von NO-Radikalen andererseits können auch erschöpfen und bei einer Fehl- und Mangelernährung nicht ergänzt werden. Die Folgen davon sind diverse Funktionsstörungen und subklinische chronische Erkrankungen.

KOMPAKT: Welche Konsequenzen müssten diese Erkenntnisse in der Politik haben?

ULRICH WARNKE: Im Moment ist es so: Alles, was nichtthermische Effekte im Einfluss elektromagnetischer Felder zeigt, wird rigoros und dogmatisch ausgeschlossen. Immer wieder fällt die Bemerkung „es ist nicht bewiesen“. Ein Beweis ist aber nur möglich, wenn bei exakt gleichen Bedingungen ein Ergebnis beliebig wiederholbar ist. Die „exakt gleiche Bedingung“ und beliebige Wiederholbarkeit ist aber bei Kollektiven von tierischen und menschlichen Individuen unmöglich. Deshalb sind auch Beweise unmöglich. In der Wissenschaft kommt es deshalb in diesen Fällen vielmehr auf Belege an, die mit den empirischen Zuständen übereinstimmen müssen. Und Belege gibt es seit langer Zeit; sie werden aber nicht beachtet.

Wenn dann eindeutige Versuchsergebnisse vorliegen, wird entweder das Argument bedient „Ergebnisse an Tieren sind nicht auf den Menschen übertragbar“ oder aber „Solange kein Wirkmechanismus erkennbar ist, wird das Ergebnis angezweifelt“. Alle diese Argumente sind unhaltbar. Wenn die Politik so weiter macht, kann es passieren, dass immer noch Beweise eingefordert werden, obwohl die Menschheit bereits mehrheitlich chronisch krank ist.

Literatur zum Interview

Friedman J, Kraus S, Hauptman Y et al. (2007): Mechanism of a short-term ERK activation by electromagnetic fields at mobile phone frequency. Biochem. J. 450, 3: 559-563.

Miura M, Takayama K, Okada J (1993): Increase in nitric oxide and cyclic GMP of rat cerebellum by radiofrequency burst-type electromagnetic field radiation. J. Physiol 461, 513-524.

Paredi P, Kharitonov SA, Hanazawa T, Barnes PJ (2001): Local vasodilator response to mobil phones. The Lanryngoscope Vol. 111, (1), p. 159-162.

Seaman RL, Belt ML, Doyle JM, Mathur SP (1999): Hyperactivity caused by a nitric oxide synthase inhibitor is countered by ultrawideband pulses. Bioelectromagnetics 20, 7, 431-439.

Seaman RL, Parker JE, Kiel JL, Mathur SP, Grupps TR, Prol HK (2002): Ultra-wideband pulses increase nitric oxide production by RAW 264.7 macrophages incubated in nitrate. Bioelectromagnetics 23, 1, 83-87.

Warnke U (2009): Ein initialer Mechanismus zu Schädigungseffekten durch Magnetfelder bei gleichzeitig einwirkender Hochfrequenz des Mobil- und Kommunikationsfunks. umwelt.medizin.gesellschaft 22 (3): 219-232

Warnke U (2005): Pathologische Wirkungsmechanismen der Schädigung durch Hochfrequenzsender – ein plausibles Modell. umwelt.medizin.gesellschaft 18(2): 107-118.

Warnke, U (1994): Der archaische Zivilisationsmensch II: Der Mensch und 3. Kraft. Elektromagnetische Felder – zwischen Streß und Therapie; Popular Academic Verlag, Saarbrücken,

Warnke U, Altmann G (1979) Die Infrarotstrahlung des Menschen als physiologischer Wirkungsindikator des niederfrequent gepulsten schwachen Magnetfeldes. In: Zeitschrift für Physikalische Medizin 3, 8, S. 166-174.

Yakymenko I et al. (2015): Oxidative mechanisms of biological activity of low-intensity radiofrequency radiation. Electromagn Biol Med, Early Online: 1–16.

Zongming LI, Hua CAI, Dikalov S, Holland SM et al. (2002): NAD(P)H Oxidase-derived Hydrogen Peroxide Mediates Endothelial Nitric Oxide Production in Response to Angiotensin II* J. Biol. Chem. 277(50): 48311-48317. >>> Fulltext

Publikation zum Thema

Heft 1; 1. AuflageFormat: A4Seitenanzahl: 48 Veröffentlicht am: 01.11.2007 Bestellnr.: 701Sprache: deutschHerausgeber: Kompetenzinitiative e.V.

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