Harald Lesch: Schule der Zukunft - Lernen aus dem Lockdown

Harald Lesch stellt Grundlagen gesunder Lernentwicklung dar und die Digitalisierung der Schulen in Frage.
Die Diskussion um die Digitalisierung bekommt neue Brisanz. Liegt hier der Schlüssel für die Schule der Zukunft?

Sendetermin: 27.10.2020, in der ZDF-Mediathek bis 27.10.2025

Titelblatt BroschüreQuelle: pad-verlag.de

Auszug aus dem Kapitel zur "Digitalen Bildung" in der aktuellen Broschüre "Fortschritt 5G? Mythen für den Profit."

Mythos 4: 5G und WLAN an Schulen braucht es für einen fortschrittlichen Unterricht durch Digitale Bildung

Die Zeitungen sind voll davon: Die Schulen müssen digitalisiert werden, um die Schüler auf die Zukunft vorzubereiten. Im Digitalpakt werden dafür Milliarden bereitgestellt. Die Medien transportieren gegenwärtig eine Botschaft: Das Homeschooling bei Corona habe bewie­sen, wie notwendig die Digitalisierung des Bildungswesens sei. Doch was ist beim Homeschooling wirklich geschehen?

Die DAK-Studie "Gaming, Social-Media & Corona" (2020) deckte auf: Kinder und Jugendliche wurden süchtig gemacht.[1] Einige Ergebnisse:

  • "Bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen ist das Gaming riskant oder pathologisch. Im Vergleich zum Herbst 2019 nehmen die Spielzeiten unter dem  Corona-Lockdown werktags um 75 Prozent zu.
  • Im Vergleich zum September 2019 steigt im Mai 2020 die Spieldauer in der Woche um 75 Prozent an. Werktags klettern die durchschnittlichen Gamingzeiten von 79 auf 139 Minuten an. Am Wochenende gibt es einen Anstieg um fast 30 Prozent auf 193 Minuten am Tag.
  • Ähnlich problematisch wie Onlinespiele sind Social-Media-Aktivitäten. Im September zeigen 8,2 Prozent der befragten Kinder und Jugendliche eine riskante Nutzung. Das entspricht hochgerechnet fast 440.000 der 10- bis 17- Jährigen. Eine pathologische Nutzung wird bei rund 170.000 Jungen und Mädchen (3,2 Prozent) festgestellt. Unter dem Corona-Lockdown steigen die Social-Media-Zeiten werktags um 66 Prozent an – von 116 auf 193 Minuten pro Tag. Gaming und soziale Medien werden vor allem genutzt, um Langeweile zu bekämpfen oder soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. Rund ein Drittel der Jungen und Mädchen will online aber auch der „Realität entfliehen“ oder Stress abbauen. Laut Studie geben 50 Prozent der Eltern an, dass es in ihrer Familie vor und unter Corona keine zeitlichen Regeln für die Mediennutzung gibt."

Die Industrie witterte die Chance, die Digitalisierung des Unterrichts beschleunigen zu können und die Kinder noch mehr an digitale Geräte zu fesseln. Mit dem Lockdown konnte sie diese Vermarktungsziele weiter verwirklichen. Hilflos sind die Rufe nach Frühwarnsystemen. Immer noch nicht werden die Erkenntnisse der Hirnforschung beachtet. Unsere Kontrollinstanz, das Stirnhirn, ist bei Kindern und Jugendlichen vor dem 16. Lebensjahr noch nicht ausgereift und nicht in der Lage, eine Impulskontrolle auszuüben. Kinder und Jugendliche sind den Suchtmechanismen ausgeliefert, eine irreversible Schädigung des Gehirns findet statt, auch wenn die Smartphonenutzung limitiert ist.

Fast jeder Kinderarzt und Jugendpyschologe bestätigt die negativen Auswirkungen der Smartphone­nutzung v.a. auf Kinder und Jugendliche. Untersuchungen von Krankenkassen schlagen Alarm. Psycho-soziale Folgen wie Spiel- und Internetsucht, Sprachstörungen oder Einsamkeit sind eine Folge, und v.a. die Entfremdung von der Natur und Bewegung. Ein digitalisiertes Bildungswesen wird diese negativen Tendenzen verstärken. Die nichtstofflichen Drogen Smartphones und TabletPCs sollen das Schulbuch ersetzen. Die Schule wird zur Drogenhöhle.    

Bildung ist analog

... Bei der "Digitalen Bildung" sollen Computer und Algorith­men das Erziehungs­ge­sche­hen autonom steuern, so wie bei der Industrie 4.0 Roboter die Produktion selbständig steuern. Es geht bei der "Digitalen Bildung" nicht darum, zur Medienmündigkeit zu erziehen, was Schule heute unbestritten leisten muss. Im Gegenteil: Sie führt zur Dominanz der Algorithmen, programmiert von IT-Konzernen zur Medien­ab­­hängigkeit.  Der zu Unrecht kritisierte Frontalunterricht wird dadurch auf die Spitze getrie­ben. Die Schüler starren isoliert auf einen sprechenden Bildschirm. Der Autor des Buches "Die Katastrophe der digitalen Bildung", Ingo Leipner, schreibt:

  •  "Der Begriff „digitale Bildung“ hat keinen Inhalt, weil Bildung nicht auf Bits und Bytes beruht. Im Gegenteil: Gerade in Kindergarten und Grundschule müssen Kinder reale Erfahrungen machen (Singen, Tanzen, Malen). Das fördert ihre kognitive Entwicklung - und ist evolutionär so vorgesehen. Es geht um die senso-motorische Integration: Erst das aktive Zusammenspiel von Sinneserfahrungen (senso) und körperlicher Betätigung (motorisch) schafft die Grundlagen, damit sich Kinder geistig entwickeln. Sitzen sie aber lange Zeit vor Bildschirmen, reduziert sich die Zahl der Sinneseindrücke; am Ende bleiben visuelle und akustische Reize übrig. Die Kinder „erstarren“ in ihren Bewegungen, weil sie wie gebannt auf den Bildschirm blicken. Gegenargument: Es geht beides, analoges und virtuelles Leben … Nein! Die hohe Nutzungszeit bei Kindern zeigt: Virtuelle Erfahrungen verdrängen zunehmend das reale Leben."

Profitquelle Schule

... Das Bündnis für humane Bildung schreibt auf seiner Homepage zur eigentlichen Antriebskraft der "Digitalen Bildung": 

  • "Es ist ein Riesengeschäft. Zu den 5.5. Mrd. Euro aus dem Digitalpakt Schule kommen laut McKinsey-Analyse (FAZ vom 19.6.2020) mindestens weitere 6 Mrd. Euro für Endgeräte für Lehrkräfte und Lernende. Laut Pressemeldung der INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) zum Bildungsmonitor 2020 werden mindestens 20.000 IT-Stellen für den Support der IT-Infrastruktur und 2 Mrd. Euro notwendig. Jährlich. Laut GEW-Studie „Bildung.Weiter.Denken. Mehrbedarfe für eine adäquate digitale Ausstattung der berufsbildenden Schulen im Lichte des Digitalpakts“ von Roman George und Ansgar Klinger liegen die tatsächlichen jährlichen Kosten für Allgemeinbildende und Berufsschulen sogar bei jährlich 21,025 Mrd. Euro und 25 bis 36 Tausend IT-Stellen, je nachdem, wie viele Endgeräte ein Tecniker betreuen soll. Solche regelmäßigen Einnahmen, zumal sie bei öffentlichen Schulen die Solidargemeinschaft der Steuerzahler/innen aufbringen muss, lässt sich kein Wirtschaftszweig entgehen. „Follow the money“ heißt es in Amerika und man weiß, wer hier seine Interessen durchsetzt. Ob der technische und finanzielle Aufwand pädagogisch sinnvoll ist, stellt sich bei solchen finanziellen Volumina gar nicht mehr. „It’s economy, stupid.“ (Bill Clinton )... Ach ja: Der Renovierungsstau bei Schulen liegt bei über 35 Mrd. Euro. Und es fehlen qualifizierte Lehrkräfte, im fünfstelligen Bereich. Aber für Informationstechnik und IT-Stellen stehen Millardenbeträge zur Verfügung."[2]

Es wird nur noch über digitale Schule diskutiert. Wie wäre es, die Milliarden dafür zu verwenden, die Schulen zu sanieren, den Lehrermangel zu beseitigen und kleine Klassen zu verwirklichen, Stellen für Schulpyschologen und Förderlehrer zu schaffen, die Stundenzahlen für Sport, Kunst, Musik, Theater und Naturerlebnisse zu erhöhen, oder Exzellenzräume für die Ausbildung an digitalen Medien in den höheren Klassen ab dem 16. Lebensjahr einzu­richten?

... Eine weitere Nebenwirkung der Digitalisierung der Schulen wird im nächsten Kapitel behandelt: Die WLAN-Ausstattung für die "Digitale Bildung" verseucht die Schulen mit Elektrosmog und schädigt die Gesund­heit der Schüler.

Quellen

[1] DAK-Studie "Gaming, Social-Media & Corona", 2020, https://www.dak.de/dak/gesundheit/dak-studie-gaming-social-media-und-corona-2295548.html#/

[2] http://www.aufwach-s-en.de/2020/08/sollen-schulen-mit-wlan-ausgestattet-werden/

BuchcoverQuelle: Redline Verlag - m-vg.de

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Smart City, Smart Country, Breitband und 5G – die Folgen für Demokratie, Mensch und Umwelt
Autor:
Jörn Gutbier / Peter Hensinger
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Januar 2020Format: DIN A4Seitenanzahl: 100 Veröffentlicht am: 16.03.2020 Bestellnr.: 787, Preis: 9,50 Euro ISBN-10: ISBN 978-3-9820585-1-1Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

Smart City, Digitale Bildung, Elektromagnetische Felder

Informationen zu den Folgen der digitalen Transformation unserer Gesellschaft
Autor:
Dr. Wolfgang Baur, Prof. Karl Hecht, Peter Hensinger M.A., Prof. Wilfried Kühling, Prof. Gertraud Teuchert-Noodt, Dipl. Biol. Isabel Wilke, Dr. Ulrich Warnke
Inhalt:
Sammelband der 100 Argumente - ein Handbuch für Eltern, Erzieher und Pädagogen und die Arbeit von Bürgerinitiativen. Die digitale Transformation der Gesellschaft prägt seit ca. 15 Jahren unsere Epoche.Wir sind Zeitzeugen dieses schnellen Wandels und können ihn noch beeinflussen. Die digitale Transformation hat Folgen für die Demokratie, die Umwelt und die Entwicklung des Individuums, seine Gesundheit und Psyche! Dieser Sammelband enthält 15 Artikel, die v.a. in der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft erschienen sind. Jeder Artikel informiert kompakt, kurzweilig und wissenschaftlich fundiert über ein Fachgebiet: • Smart City-die Auswirkungen des digitalen Umbaus der Städte • Forschungsergebnisse über digitale Medien und die Gehirnentwicklung bei Kindern • Interviews zur geplanten digitalen Bildung und ihren Risiken • WLAN an Schulen-was man über die Auswirkungen auf das Gedächtnis und Lernen weiß • Der Forschungsstand zu den Risiken der elektromagnetischen Felder des Mobilfunks und 5G • Die Bedeutung der elektromagnetischen Felder für die Evolution • Wissenschaftsdebatte: mit welchen Theorien wird heute versucht, Erkenntnisse über Risiken wegzudiskutieren • Die Ideologie der Digitalisierung. Umfangreiche Quellenangaben zu jedem Artikel geben dem Leser die Möglichkeit, selbst weiter zu recherchieren.
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