Prof. Leszczynski: Bericht von der BioEM 2017

Unterschätzung des Hirntumorrisikos in Studien
Professor Dariusz Leszczynski hat mit Unterstützung der Stiftung Pandora und der Kompetenzinitiative e.V. vom 5. bis 9. Juni 2017 an der BIOEM2017 in Hangzhou, China, teilgenommen. Aus seinem Bericht ergibt sich, dass über bahnbrechende neue Erkenntnisse nichts vorgetragen wurde. Vorherrschend ist der Eindruck, dass die biologische Forschung seit geraumer Zeit – sei es aus Mangel an Ideen oder an Forschungsmitteln – stagniert. Dafür wurde auf technische Entwicklungen hingewiesen, mit denen in naher Zukunft gerechnet werden kann.
Prof. Dariusz Leszcynski als Gastredner beim NTP, 2010Foto: Steve McCaw / NIEHS - factor.niehs.nih.gov

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The Joint Annual Meeting of the Bioelectromagnetics Society (BEMS) and the European BioElectromagnetics Association (EBEA) 2017Quelle: bems.org

BERICHT von der BioEM2017
Jahreskonferenz von BEMS & EBEA vom 5. – 9. Juni 2017 in Hangzhou, China.

Von Dariusz Leszczynski, PhD, DSc. Außerordentlicher Professor für Biochemie. Abteilung Biochemie und Biotechnologie. Universität Helsinki, Finnland. Herausgeber von ,Radiation and Health’. Ein Fachbereich der ,Frontiers in Public Health’, Lausanne, Schweiz

Inhalt des Berichts

  • Einführung
  • Epigenetik
  • Mobile Gesundheit
  • 5G-Technologie und das Internet der Dinge
  • Biologische Wirkungen von EMF über 6 GHz
  • Probleme bei der Replikation
  • Elektrosensibilität
  • Epidemiologie
  • Zum Abschluss …

Zusammenfassung

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der BIOEM2017 lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1)    Epigenetik: Es mehren sich die Hinweise, dass epigenetische Mechanismen für das Zustandekommen von biologischen Wirkungen der Hochfrequenzstrahlung verantwortlich sein könnten. Davon könnte auch die Gesundheit Strahlen-exponierter Menschen betroffen sein. Untersuchungen zu dieser Fragestellung gibt es gegenwärtig kaum, obwohl sie  dringend geboten wären.

2)    Mobile Gesundheit: Die Verbreitung von M-Health (Mobile Gesundheit) in Form unterschiedlicher Smartphone-Apps soll in der Vorstellung der WHO die medizinische Versorgung der Bevölkerung in abgelegenen und unterentwickelten Regionen der Welt verbessern. Ob die Vorteile dieses Ansatzes mögliche gesundheitliche Schäden aufgrund der Strahlenbelastung tatsächlich überwiegen, scheint die Verantwortlichen wenig zu interessieren.

3)    5G-Technologie und das Internet der Dinge (IdD): Die Entwicklung der fünften Generation der drahtlosen Kommunikationstechnologie (5G) und des Internets der Dinge (IdD) (z.B. smart meter, usw.) steht kurz vor der Einführung. Wie schon bei den früheren Mobilfunk-Generationen wird wiederum ohne jegliche Untersuchung davon ausgegangen, dass es keine gesundheitlichen Auswirkungen geben wird.

4)    Biologische Wirkungen von EMF höher als 6 GHz: Da Millimeterwellen offensichtlich bedingt durch die Reflexion der Strahlung nur hauttief eindringen, stellt sich die Frage, ob nicht trotzdem gesundheitliche Schäden, z.B. im Bereich der Augen auftreten können. Die wissenschaftliche Literatur, die zu diesem Thema vorliegt, ist dürftig. Auch der Kongress selbst trug zur Aufklärung kaum etwas bei.

5)    Probleme bei der Replikation: Ein bekanntes Problem der EMF-Forschung besteht darin, dass die Ergebnisse vieler Studien nicht reproduziert werden können. Ein großer Fehler wäre es, wenn deshalb von vornherein angenommen würde, dass diese falsch sein müssen. In zwei Beiträgen wird auf zahlreiche experimentelle Parameter hingewiesen, die Wissenschaftler bei ihren Versuchen entweder gar nicht kontrollieren oder nur schwer zu kontrollieren sind.

6)    Elektrosensibilität: Die Forschungsergebnisse zur Frage der Elektrosensibilität sind nach wie vor wenig überzeugend. Immer mehr Studien von Psychologen und mit psychologischen Methoden, die mit nur schwer oder gar nicht kontrollierbaren  Störfaktoren belastet sind, tragen eher zur weiteren Verwirrung statt zur Aufklärung bei. Ein Forschungsansatz mit physiologischen Methoden erschiene bei der Lösung des Problems gegenwärtig wohl am aussichtsreichsten. Dass Interesse daran scheint allerdings gering zu sein.

7)    Epidemiologie: In einer Begleitstudie der COSMOS-Studie wurde die selbst-berichtete Nutzungsdauer der Studienteilnehmer mit den von den Netzbetreibern bereitgestellten Daten verglichen. Die berichtete Nutzungsdauer wird im Vergleich zur tatsächlichen Nutzungsdauer insgesamt unterschätzt, dies in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Nutzung, von der persönlichen Betroffenheit  durch die Strahlenbelastung sowie von Geschlecht und vom Alter der Nutzer. Bei der COSMOS-Studie handelt es sich um eine laufende internationale Kohortenstudie, in der bei Mobiltelefonnutzern die Häufigkeit von Hirntumoren und anderen gesundheitlichen Störungen untersucht werden soll.

Kommentar von Prof. Dr. med. Franz Adlkofer

Professor Dariusz Leszczynski äußert sich in seinem Bericht auch zu Themen, die im Verlauf des Kongresses selbst wenig Beachtung gefunden haben, aber nach seiner Überzeugung von besonderer Bedeutung sind. Diese betreffen (1) die falschen Voraussetzungen, unter denen frühere in vitro Laborstudien durchgeführt wurden und (2) die Unterschätzung des Hirntumorrisikos aufgrund des Fehlens zuverlässiger Angaben zur Strahlen-exposition in den bisher durchgeführten Fall-Kontroll-Studien.

1. Konsequenzen aus der jüngsten Publikation von Schmid und Kuster

Enttäuscht zeigt sich Leszczynski darüber (s. Bericht unter Probleme bei der Replikation), dass bei der Konferenz auf die Konsequenzen, die sich seiner Überzeugung nach aus der jüngsten Publikation von Schmid und Kuster (Bioelectromagnetics 2015:36(2):133-48. doi:10.1002/bem.21895. Epub 2015 Jan 30) ergeben, mit keinem Wort eingegangen wurde. In dieser Publikation wird berichtet, dass 51 von 80 Laborstudien aus den Jahren 2002 bis 2015, in denen die biologischen Wirkungen der 900 MHz- bzw. 1800 MHz-Strahlung untersucht wurden, bei SAR-Werten von 2 W/kg oder darunter durchgeführt wurden. Dies bedeutet, dass die physikalisch bedingte Ungleichmäßigkeit der Strahlenexposition unberücksichtigt geblieben ist. Die Autoren weisen in ihrer neuen Arbeit nach, dass die maximale Strahlenexposition von oberflächlichen Geweben beim Menschen (Haut, Muskeln und Blut) auf Zellebene 40 W/kg überschreiten kann. Daraus ergibt sich, dass die Ergebnisse dieser 51 Untersuchungen, falls negativ, bedeutungslos sind, und falls positiv, wohl weit unterhalb des tatsächlichen Wertes liegen. Leszczynski schlägt deshalb vor, dass zumindest alle wichtigen Studien aus dieser Reihe nochmal durchgeführt werden.

Der SAR-Wert von 2W/kg ist bekanntlich der Grenzwert für die lokalisierte Exposition von Menschen gegenüber der Hochfrequenzstrahlung, bei dessen Einhaltung entsprechend den Vorgaben der Internationalen Kommission zum Schutz vor der nicht-ionisierenden Strahlung (ICNIRP) mit gesundheitlichen Risiken beim Menschen nicht zu rechnen ist. Aus der Arbeit von Schmid und Kuster ergibt sich jedoch, dass bei der Mobilfunknutzung die SAR-Werte bei der 900 MHz- und 1800 MHz-Strahlung zumindest in oberflächlichen Geweben, z.B. in Blutzellen, Keratinozyten, Fibroblasten, Nervenzellen, usw., weit überschritten werden können. Leszczynskis Forderung, dass der SAR-Wert bei zukünftigen Untersuchungen der biologischen Wirkungen der Hochfrequenzstrahlung nicht auf 2W/kg beschränkt wird, sondern auf SAR-Werte weit darüber ausgedehnt wird, ist berechtigt und bedarf der Unterstützung durch die unabhängige Wissenschaft (https://betweenrockandhardplace.wordpress.com/2015/02/12/the-gamechanger-revision-of-dosimetry-by-schmid-kuster/).

Die Tatsache, dass selbst bei Einhaltung des geltenden Grenzwertes in einer Reihe von Studien biologische Wirkungen von Relevanz für die Krankheitsentstehung festgestellt wurden, reichte eigentlich aus, um die Sinnhaftigkeit dieses Grenzwertes in Frage zu stellen. Da dieser Grenzwert – wie in der Arbeit von Schmid und Kuster gezeigt – bei der Mobiltelefonnutzung offensichtlich regelhaft überschritten wird, kann eigentlich nur noch von Betrug gesprochen werden. Dieser wird von Prof. Norbert Leitgeb, Mitglied der Strahlenschutzkommission (SSK) der Bundesregierung, wie folgt erklärt: It is necessary to remind that agreeing on limits is a political issue rather than a scientific one. Science provides information on existing knowledge, but it is a political issue to take the decision on limits. This is for a simple reason: Limits are not for free. There is a price to be paid for them – in terms of money, discomfort, time, unintended side-effects etc… [Es ist notwendig daran zu erinnern, dass die Vereinbarung von Grenzwerten eher eine politische als eine wissenschaftliche Angelegenheit ist. Die Wissenschaft liefert zwar die Information über das vorhandene Wissen, die Entscheidung über Grenzwerte ist jedoch Angelegenheit der Politik. Dies aus einem einfachen Grund: Grenzwerte bekommt man nicht umsonst. Es muss ein Preis dafür bezahlt werden – im Sinne von Geld, von Beschwerden, Zeit, unbeabsichtigten Nebenwirkungen, usw… ] Leitgeb Zynismus vorzuwerfen, erscheint mir nicht berechtigt. Er  beschreibt ja nur, was Politik und Industrie ihren Untertanen zumuten.

2. Unterschätzung des Hirntumorrisikos in epidemiologischen Studien

In den bis heute durchgeführten Fall-Kontroll-Studien (INTERPHONE, Hardell-Gruppe, CERENAT) und in der derzeit laufenden Kohortenstudie COSMOS wird die Dauer der Mobiltelefonnutzung als Ersatz für die Strahlenexposition verwendet. Auf dieser Grundlage wird das Hirntumorrisiko der Mobilfunknutzer berechnet. In der Untersuchung von Toledano et al., auf die Leszczynski in seinem Bericht eingeht (s. Bericht unter Epidemiologie), wird lediglich gezeigt, dass die selbst-berichteten Angaben über die Dauer der Mobiltelefonnutzung an Genauigkeit zu Wünschen übrig lassen. In der Regel wird sie jedoch eher unterschätzt. Genauso wichtig oder sogar wichtiger als die Dauer der Mobiltelefonnutzung sind für die tatsächliche Strahlenexposition – was Leszczynski ebenfalls anspricht – andere Faktoren, z.B. die Entfernung des Nutzers von der Basisstation oder die individuelle Art des Haltens und Bewegens des Mobiltelefons in Ohrnähe. Die Nutzungsdauer des Mobiltelefons ist deshalb ein eher unzuverlässiger Parameter für die tatsächliche Strahlenexposition.

Mit dem Wissen von heute muss geradezu mit Erstaunen zur Kenntnis genommen werden, dass bei den bisherigen Fall-Kontroll-Studien überhaupt ein erhöhtes Hirntumorrisiko festgestellt wurde. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass dieses Hirntumorrisiko weit höher gewesen wäre, wenn es auf der Grundlage der tatsächlichen Strahlenbelastung berechnet worden wäre. Zwei Personen, deren Anruf genau gleich lang dauert, können der Mobilfunkstrahlung – wie oben festgestellt – sehr unterschiedlich stark ausgesetzt sein. Wenn diese beiden Personen in Studien wie INTERPHONE, der Hardell-Gruppe, CERENAT und COSMOS in dieselbe Gruppe eingeordnet werden, wird bei der statistischen Auswertung das Hirntumorrisiko bei der einen Person fälschlicherweise vermindert und bei der anderen Person fälschlicher-weise erhöht. Smartphone-Apps, von denen es bereits eine Testversion gibt, ermöglichten es, die Strahlenexposition eines Mobiltelefonnutzers exakt erfassen. Der Einsatz solcher Geräte in zukünftigen epidemiologischen Studien dürfte nicht nur den definitiven Beweis erbringen, dass die Mobilfunkstrahlung das Hirntumorrisiko tatsächlich erhöht, sondern darüber hinaus Betroffenheit wegen der zu erwartenden Höhe auslösen. Politik und Industrie werden dann wie üblich ihre Hände in Unschuld waschen.

Prof. Dr. med. Franz Adlkofer
Pandora-Stiftung für unabhängige Forschung

Artikel veröffentlicht:
26.02.2018
Autor:
Von Dariusz Leszczynski, PhD, DSc. Außerordentlicher Professor für Biochemie. Mit einem Kommentar von Prof. Dr. med. Franz Adlkofer.
Quelle:
www.stiftung-pandora.eu
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