Über diese fundierten Kritiken an diesen Plänen wird in den Medien fast nicht berichtet. Im Gegenteil, es wird ein Zerrbild, z.B. von Prof. Manfred Spitzer aufgebaut (Medienverweigerer, ewig Gestriger), um sich mit seinen Positionen nicht auseinandersetzen zu müssen. Keiner der Kritiker spricht sich gegen den Medieneinsatz aus, nur: wann soll er stattfinden, wann schadet er sogar? Das wird analysiert und Alternativen vorgeschlagen. Das will die Industrie nicht hören, denn sie will ihre Produkte schon in den Kindergärten verkaufen.
Was kritisiert die Erziehungswissenschaft? Mit den 5 Milliarden Euro öffnet Wissenschaftsministerin Wanka einen Markt, der im Vollausbau ein Volumen von weit über 100 Milliarden Euro haben wird. Analoge und digitale Medien, so die Wissenschaftler, seien selbstverständliche Hilfsmittel, die Lehrer schon immer selbstbestimmt im Unterricht einsetzen. BM Wanka stellt aber die Weichen in eine antihumanistische Richtung. Es geht nicht um das Lernen mit Hilfe von Medien, bei der "Digitalen Bildung" geht es um die Übernahme der Erziehung selbst durch autonom agierende digitale Medien bereits ab den KiTas.
So wie bei der Industrie 4.0 Maschinen die Produktion selbständig steuern sollen, sollen Computer und Algorithmen das Erziehungsgeschehen autonom steuern. Das ist die "Digitale Bildung". Die Schüler sitzen vereinzelt am TabletPC, werden überwacht und gesteuert von Algorithmen. Ein sprechender Computer gibt Aufgaben und Übungen vor. Es werden vorprogrammierte Eigenschaften antrainiert, die industriellen Verwertungs- und Konsuminteressen nützen. Kreativität und Querdenken entfällt. Software-Optionen geben einprogrammierte Kompetenzen vor. Man lehrt nicht mehr Haltung, sondern verwertbares Verhalten, das ist der Kern der Kompetenzorientierung. Digitaler Unterricht bedeutet einen Schritt in Richtung "Schule ohne Lehrer". Lehrer werden zu Lernbegleitern degradiert.
Das, was die IT- Industrie als Zukunft des Lernens propagiert, sind im Kern totalitäre Systeme zur psychischen und psychologischen Manipulation und lebenslangen Steuerung von Menschen. Diese Lernkonzepte entspringen neoliberalen und behavioristischen Manipulationskonzepten, und so wundert es nicht, dass die Mehrzahl der Arbeitskreise beim Wankas IT - Gipfel im November 2016 in Saarbrücken von Vertretern der Industrie geleitet werden. Man hat es nicht mehr nur mit "gekaufter Wissenschaft" zu tun, sondern die Erkenntnisse der pädagogischen Wissenschaften und der Lernpsychologie werden einfach ignoriert. Statt Fachleute aus den pädagogischen Wissenschaften soll die Industrie eins zu eins die Planung der Erziehung übernehmen.
Wer heute verantwortungsvoll das Erziehungssystem sanieren und ausbauen will, muss deshalb angesichts des besorgniserregenden Leistungsabfalls bei den Basiskompetenzen Rechnen, Schreiben, Lesen und dem Verlust von Sozialkompetenzen wie Empathie, sprachliches Ausdrucksvermögen und vernetztes Denken vor allem in mehr Lehrer, Schulpsychologen - und Sozialarbeiter, Förderpersonal, intakte Schulgebäude, mehr Sport, Theater- und KunstAGs investieren.
Analysen zu den Hintergründen der "Digitalen Bildung":
Vorträge in der Enquete-Kommission im Hessischen Landtag: „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“, 14. Oktober 2016:
Dr. Matthias Burchardt: Beantwortung der Fragen zum Thema „Digitalisierung“
Prof. Ralf Lankau: Digitalisierung und schulische Bildung
Prof. Manfred Spitzer: Risiken und Nebenwirkungen digitaler Informationstechnik
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