Rezension

Harald Welzer: Die smarte Diktatur

Der Angriff auf unsere Freiheit
Eine Rezension von Peter Hensinger zum Inhalt und Bedeutung des Buches 'Die Smarte Diktatur' von Harald Welzer.

"Digitalisierung als Wegbereiter von smarter Diktatur, Hyperkonsum und Klimawandel"  

Harald Welzer hat eine bestechende Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung in der Epoche der Digitalisierung vorgelegt. Seine Haupt­these: Die Digitali­sierung ist eine wesentliche Triebkraft zu Hyperkonsum, Ressourcen­verschwen­dung und Klimakatastrophe, ein Katalysator auf dem Weg in den smarten Totalita­rismus. Der bisherige Kapita­lismus der parlamen­tarischen Demo­kra­tie verwan­delt sich schlei­chend in eine Diktatur, in der Autonomie und Freiheit mit Hilfe digitaler Medien aufgehoben sind und staatliche Ordnung dem Diktat weniger Konzerne weicht.

Die smarte Diktatur wird über die Möglichkeit der totalen Kontrolle jedes Menschen über Smartphone, TabletPC, soziale Medien wie Facebook und Twitter und Google verwirklicht. Über den "Rückkanal", mit dem jeder Klick, jede Nachricht erfasst und über Algorithmen verarbeitet wird, sind Staaten und Konzerne in der Lage, unser gesamtes Verhalten abzuspeichern: "Sie sind die Laborratte, die die Daten liefert, mit deren Hilfe Sie manipuliert werden" (S.142). Das geschieht nicht durch Erpressung von Infor­mation, sondern durch Freiwilligkeit, durch BigData, dem Datamining aus dem Konsum- und Surf­verhalten. Die Schürfwerkzeuge sind v.a. die Smartphones, angebunden an das inzwischen fast lücken- und kostenlose Abhörnetz WLAN. Im Gegensatz zu bisherigen Diktaturen schafft die Digita­li­sie­rung "ein viel unauffälligeres und zugleich wirksameres Machtmittel, nämlich die Beherrschung des Rück­kanals, also aller Reaktionen auf die Angebote und Entwicklungen der smarten Diktatur. Solche Herrschaft kann kontrollieren, was die Beherrschten selbst zu sein glauben und sein wollen. Das ist herrschaftstechnisch die innovativste Übergangszone ins Totalitäre. Das kannten wir noch nicht" (S.234). Eine Meisterleistung der Psychopolitik und des Marketings. Diesen Weg in den Totalitarismus nehmen die Menschen nicht wahr. Die Entdemokratisierung erfolgt schleichend, auch weil sich die Digita­lisie­rung die Zustimmung mit Illusionen von grenzenloser Information und neuer Demokra­tie erkauft. So bekam die "Protest"plattform Change.org 2016 den BigBrother-Award, weil sie ein verdecktes Daten­­­sammeltool vermutlich von US-Geheimdiensten ist: "Das bedeutet nicht nur, dass der aufwän­dige Schnüffelapparat der früheren Geheimdienstarbeit ersatzlos gestrichen werden kann, es bedeutet vor allem, dass die Überwachung deswegen lebenspraktisch nicht auffällt, weil sie mit positiv empfun­denen Handlungen einhergeht, die der Überwachte selbst initiiert und vollzieht" (S.133).

Digitalisierung als Katalysator des Hyperkonsums

Welzer fragt: Haben die digitalen Medien mit ihren Möglichkeiten der grenzenlosen Information und Vernetzung zu einer besseren Welt geführt? Das Gegenteil ist der Fall: "Führt man sich das alles vor Augen, hat man eine Kaskade von Problemen vor sich, von denen nicht ein einziges mit den Mitteln der Digitalisierung zu lösen ist. Nehmen wir Umweltzerstörung, Klimawandel, Landraub und all die anderen Folgen eines in seiner Steigerungslogik ungebremsten Hyperkonsums dazu, wird  im Gegenteil etwas ganz anderes deutlich: Die Digitalisierung ist in ihrer unmittelbaren Verschwisterung mit dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen nichts anderes als die radikalisierte Fortschreibung des wachstumswirt­schaf­tlichen Programms, das weder an der vernünftigen Einrichtung von Gesellschaften noch an einem zukunftstauglichen Naturverhältnis interessiert ist. Hier zählt nur die reine Gegenwart und wie ihre Gegebenheiten auszuschöpfen sind. Auch in dieser Hinsicht ist das Digitale fossil. Es verbrennt Zukunft. Radikal" (S.287).

Das Digitale verbrennt Zukunft, nicht nur, weil Rechenzentren gigantische Energiemengen ver­brau­­­­chen (S.63 ff) und die Herstellung von Smart­­­phones zur Ressourcenvernichtung beiträgt .... Lesen Sie die gesamte Rezension im PDF unter Downloads.

Publikation zum Thema

Auflage: 1 (27. April 2016)Format: 13,4 x 2,7 x 21 cmSeitenanzahl: 320 Veröffentlicht am: 11.05.2016 ISBN-10: 3100024915ISBN-13: 978-3100024916Sprache: DeutschHerausgeber: S. FISCHER

Die smarte Diktatur

Der Angriff auf unsere Freiheit
Autor:
Harald Welzer
Inhalt:
Bestseller-Autor Harald Welzer legt mit ›Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit‹ eine neue und frische Analyse der großen gesellschaftlichen Zusammenhänge in Deutschland vor, eine umfassende Diagnose der Gegenwart für alle politisch Interessierten. Unsere Gesellschaft verändert sich radikal, aber fast unsichtbar. Wir steuern auf einen Totalitarismus zu. Das Private verschwindet, die Macht des Geldes wächst ebenso wie die Ungleichheit, wir kaufen immer mehr und zerstören damit die Grundlage unseres Lebens. Statt die Chance der Freiheit zu nutzen, die historisch hart und bitter erkämpft wurde, werden wir zu Konsum-Zombies, die sich alle Selbstbestimmung durch eine machtbesessene Industrie abnehmen lässt, deren Lieblingswort »smart« ist. Was heißt das für unsere Gesellschaft? Nach seinem Bestseller ›Selbst denken‹ analysiert Harald Welzer in ›Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit‹, wie die scheinbar unverbundenen Themen von big data über Digitalisierung, Personalisierung, Internet der Dinge, Drohnen bis Klimawandel zusammenhängen. Daraus folgt: Zuschauen ist keine Haltung. Es ist höchste Zeit für Gegenwehr, wenn man die Freiheit erhalten will!
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