Digital Natives

Warum wird junger Geist an funkende Geräte gefesselt
Ein Artikel von Gerrit Krause in der BUND-Broschüre BUNDNessel. | Unsere Jugend wird gerne und naiv „Digital Natives“ genannt - im digitalen Zeitalter aufgewachsen und damit vertraut. Sie ist die erste Generation, die parallel zu der uns allen vertrauten realen Welt auch in einer immer umfangreicheren und fordernden zweiten Welt lebt - der Virtuellen Welt (VW), gerne auch als Virtual Reality bezeichnet.

Virtuell bedeutet: Von der - durch hunderttausende von Jahren bestehenden - Entwicklung unserer Sinne und des Körpers wird in der VW nur ein Bruchteil gebraucht, nämlich Augen, Ohren und etwas Gehirn.  Alles andere wird verkümmern, wenn der Aufenthalt in der VW einen zu großen Anteil am gesamten Leben des Menschen einnimmt. Noch fataler wird diese einsetzende Entwicklung, wenn man sich bewusst macht, dass auch unser Gehirn nur dann gesund und allgemein leistungsfähig bleibt, wenn der Körper sich ausreichend bewegt, was aber in der VW nicht der Fall sein kann.

Körper, Geist, Seele - eine Einheit

Die Konsequenz ist die Verkümmerung des Körpers, der Sinne und dadurch auch großer Teile unseres Gehirns! Dies wird heute bereits in etlichen Studien verschiedener Instanzen belegt. Als Beispiele sind zu nennen: die Pisastudie 2015 (ein Produkt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD in 31 Ländern), Prof. Spitzer von der  Universitätsklinik Ulm, der schon in vielen Medienbeiträgen warnend auf die drohende “digitale Demenz“ hinweist, und nicht zuletzt die altehrwürdige EliteUni Cambridge mit der Warnung vor zu viel TV und Internet. Die Lobby-Zentrale der Mobilfunkbetreiber „Informationszentrum Mobilfunk“(IZMF), Berlin, schreibt im August 2015: „Wer ständig mit dem Handy daddelt, schadet sich selbst. Es kann zu Konzentrationsschwierigkeiten kommen. Schlimmstenfalls lassen die Leistungen in der Schule nach ….“ Zu ähnlich negativer Bewertung kommt auch die Pisa-Studie 2015.

Digital Natives werden logischerweise ohne Medienkompetenz geboren.  Denn Medienkompetenz ist die Fähigkeit Medien, deren Anwendungen und Inhalte selbstständig, kritisch, richtig, umfassend, risikoarm und gesundheitsschonend zu nutzen. Wenn allerdings unsere Kinder in Medienkompetenz von uns, der Generation 35 plus, die selbst noch nicht viel von der VW versteht,  geschult werden sollen, dann werden Schlagworte und größtmöglicher Unsinn produziert wie: 

  • „mobiles Internet gegen digitales Steinzeitalter“ 
  • „Mangel an Tablets in Schulen verhindert Medienkompetenz“

Nachplappern statt Nachdenken

Diese Aussagen riechen förmlich nach Werbeslogans der Informationstechnik (IT)-Industrie, die nur neue Umsätze generieren will - sind aber purer Schwachsinn.  Sie werden geboren in den Köpfen von Erwachsenen, die keinen blassen Schimmer davon haben, was in Medienkompetenz und mobiler Kommunikation wirklich für Vor- und Nachteile stecken und wie wenig die miteinander zu tun haben! Das digitale Zeitalter ist nicht gleichzusetzen mit der VW, sondern es handelt sich lediglich um einen weiteren epochalen Schritt in der technischen Entwicklung der 1. nämlich der realen Welt.

Was ist Fortschritt, was nur Mode?

Der Slogan “Fortschritt lässt sich nun mal nicht aufhalten“ trifft allerdings für diese 2. Welt in vollem Umfang zu. Sie prasselt mit ungeheuerer Wucht auf unsere gesamte Gesellschaft ein, beinhaltet aber keinerlei Garantien für eine positive Entwicklung! Die VW kann eine positive Bewusstseinserweiterung, auch wünschenswerte Fantasie bedeuten und sie kann sich auch mit der realen Welt vertragen, wenn diese Entwicklung richtig gelehrt, gelernt und gelebt wird. Erste Erfahrungen von Bürgerinitiativen (z.B. Medienscouts und aus dem  FunkySchool-Projekt zeigen: Am Anfang muss die Ausbildung einer Vielzahl von Lehrern zum Verständnis der VW und Nutzungskompetenz in der VW stehen. Das ist die effiziente  Basiserweiterung, um unsere Gesellschaft (Kinder und indirekt auch uns Erwachsene) einen akzeptablen und nachhaltigen Einstieg in die VW zu gewährleisten. Denn nur Lehrer bringen auch gleichzeitig alle Werkzeuge mit, um zur VW in kritischem Abstand zur Werbung und unabhängig Nutzen und Risiken zu vermitteln und das unter Wahrung  des ganzheitlichen Lernens. Damit wird auch klar, welche technischen Geräte man dafür wirklich braucht. Das ist weder zwingend Powerline, noch WLAN der heutigen Ausprägung, noch Smartphones und Tablets. Hier ist Vorsicht geboten, denn der Nutzen ist zwar schnell ersichtlich, aber die Gefährdung bei unkontollierter Nutzung sieht man leider nicht. Vor allem besteht bei fast allen Nutzern die Tendenz gerade die  Gesundheitsgefährdung durch die Funkstrahlung von Sendemasten, Routern und - noch mehr -  durch die mobilen Endgeräte auszublenden. Das ist verständlich, denn wer möchte  ja, wer kann - auf diese Alleskönner noch verzichten? Wer hat das Wissen, um sich mit Cybermobbing, Spielesucht, Verkümmerung von Geist und Körper, Manipulationsgefahren, Datendiebstahl auseinandersetzen zu können? Nein, dann lieber wegschauen, der Werbung glauben „alles ist gut“ und mögliche Funkstrahlungsschäden bei sich und seinen Kindern in Kauf  nehmen?

Entschleunigung statt Verdrängung

Also wird hier in ähnlicher Form wie beim Rauchen verdrängt. Diese Phase hat viele Jahrzehnte gedauert und immense Schäden und Leid produziert. Dies muss sich hier nicht wiederholen, wenn  bei ausgewogenem Leben in beiden Welten und mit Gesetzen, Nutzungs- und Verhaltensregeln und einer an Gesundheitsrisiken armen Technik ein Zustand geschaffen wird, der von kritischen Wissenschaftlern, Ärzten und Ingenieuren überprüft und permanent begleitet wird.  Auch wenn wir hier über einen der größten und modernsten Industriezweige weltweit sprechen, dürfen nicht nur Politiker und Medien nicht weiter wegschauen, sondern wir Bürger müssen auch einfordern, dass auf Entschleunigung und die richtige Reihenfolge in dieser Entwicklung gesetzt wird, um Gefährdungen zu minimieren. Nur dann bestehen die Chancen, dass sich dadurch die Zeit ergibt, in der die neue, viel schonendere  WLAN-Technologie „Visible Light Communication“ (VLC) für den Teil der mobilen Kommunikation in den Häusern eingeführt werden kann. Damit könnten wir die heutige  Funktechnologie mit deren  nachgewiesenen Gesundheitsschäden  „ad Acta“ legen .

Artikel veröffentlicht:
22.01.2016
Autor:
Gerrit Krause / diagnose:funk
Quelle:
BUNDnessel 1.2016

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