Europapolitik

Gesundheitsrisiko "Elektromagnetische Felder"

Entschließung des Europäischen Parlaments
In seinem Entwurf für eine Entschließung schlägt der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit konkrete Vorsorgemaßnahmen vor.

Er fordert zum Beispiel die Mitgliedstaaten dazu auf, dem Beispiel Schweden zu folgen und Menschen, die an Elektrohypersensibilität leiden, als behindert anzuerkennen und ihnen einen angemessenen Schutz und Chancengleichheit zu bieten.

Diagnose-Funk e.V. veröffentlicht den Entwurf des Berichts (A6-0089-2009) und der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Gesundheitsproblematik in Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern (2008/2211(INI)) des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 19.12.2008:

Das Europäische Parlament,

– gestützt auf die Artikel 137, 152 und 174 des EG-Vertrags, die auf die Sicherstellung eines hohes Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und die Umwelt abzielen;

– in Kenntnis des Berichts der Kommission über die Anwendung der Empfehlung des Rates vom 12. Juli 1999 (1999/519/EG) zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber Elektromagnetischen Feldern und der entsprechenden Durchführungsberichte der Kommission vom 1. September 2008 (KOM(2008)532 endg.),

– unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder)

– unter Hinweis auf die Richtlinie 1999/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 1999 über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität und die entsprechenden harmonisierten Sicherheitsvorschriften für Mobiltelefone und Mobilfunkbasisstationen,

– unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. September 2008 zu „der Zwischenbewertung des europäischen Aktionsplans Umwelt und Gesundheit 2004-2010“,

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. März 1999 zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder 0 Hz - 300 GHz,

– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (A6-0000/2008),

Entwurf A-I

A. unter Hinweis auf die Tatsache, dass elektromagnetische Felder (EMF) in der Natur vorkommen und somit schon immer auf der Erde bestanden; allerdings auch unter Hinweis auf die Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten die Umweltbelastung durch vom Menschen geschaffen Quellen von EMF ständig zugenommen haben, weil der Bedarf an Strom und kabellosen Technologien gestiegen ist und sich die Sozialstruktur geändert hat, was dazu geführt hat, dass derzeit jeder Bürger einer komplexen Mischung von elektrischen und elektromagnetischen Felder unterschiedlicher Frequenzen zu Hause wie am Arbeitsplatz ausgesetzt ist;

B. in der Erwägung, dass die Technologie der kabellosen Geräte (Mobiltelefone, Wifi, Wimax, Blutetooth, DECT-Schnurlostelefone) als eine „saubere“ Technologie gilt, was nicht dem Beweis gleichkommt, dass sie für die menschliche Gesundheit ungefährlich ist,

C. in der Erwägung, dass, wenn auch eine Mehrheit der europäischen Bürger, und insbesondere die jungen Menschen zwischen 10 und 20 Jahren, Mobiltelefone, nützliche, funktionelle und modische Geräte, nutzen, doch noch Unsicherheiten bleiben, was die möglichen Gefahren für die Gesundheit betrifft,

D. in der Erwägung, dass sich die Diskussion in der wissenschaftlichen Gemeinschaft über mögliche, von den EMF ausgehende Gesundheitsgefahren seit dem 12. Juli 1999 und der Festlegung von Belastungsgrenzwerten für EMF (0 bis 300 GHz) durch die Empfehlung 1999/519/EG noch ausgeweitet hat,

E. in der Erwägung, dass die Tatsache, dass es noch keine förmlichen Schlussfolgerungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft gibt, bestimmte nationale Regierungen in mindestens neun Mitgliedstaaten der Europäischen Union - aber auch in China, der Schweiz und Russland - nicht daran gehindert hat, so genannte „präventive“ Belastungsgrenzwerte festzusetzen, die unterhalb derjenigen liegen, die von der Kommission und dem wissenschaftlichen Ausschuss „Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ empfohlen werden

F. in der Erwägung, dass die Maßnahmen zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern gegenüber den Verbesserungen der Lebensqualität hinsichtlich der Sicherheit am Arbeitsplatz und der öffentlichen Sicherheit abgewogen werden sollten, die Geräte, bei denen elektromagnetische Felder erzeugt werden, mit sich bringen,

G. in der Erwägung, dass es unter den wissenschaftlichen Projekten, die genau so viel Interesse wie Polemik hervorrufen, die epidemiologische Studie INTERPHONE gibt, die von der Union mit 3,8 Mio. Euro finanziert wird und deren Schlussfolgerungen seit 2006 erwartet werden,

H. in der Erwägung, dass doch immerhin bestimmte Erkenntnisse wohl unbestritten sind, insbesondere darüber, dass die Reaktionen auf eine Belastung durch Mikrowellen bei jedem Einzelnen unterschiedlich sind, dass breit angelegte Expositionstests durchgeführt werden müssen, vor allem um nicht-thermische Auswirkungen im Zusammenhang mit Funkfrequenzfeldern zu bewerten, und die besondere Empfindlichkeit von Kindern im Fall der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern

I. hält die Tatsache zumindest für paradox, dass die Union dafür zuständig ist, die Belastungsgrenzwerte gegen die Auswirkungen der EMF für die Arbeitnehmer festzusetzen und rechtlich vorzuschreiben, nicht aber für die allgemeine Bevölkerung,

Entwurf 1-19

1. wiederholt seine Forderung an den Rat aus seiner vorerwähnten Entschließung vom 4. September 2008, seine Empfehlung 1999/519/EG zu Gunsten von strengsten Belastungsgrenzwerten für die Gesamtheit der Geräte, die elektromagnetische Wellen in den Frequenzbereichen zwischen 0,1 MHz und 300 GHz ausstrahlen, und unter Berücksichtigung der besten verfügbaren Techniken (BAT) zu aktualisieren;

2. betont, dass es sinnvoll wäre, wenn die Kommission parallel oder alternativ zu dieser Änderung der europäischen Vorschriften in Abstimmung mit den Fachleuten der Mitgliedstaaten und der betreffenden Wirtschaftssektoren (Stromgesellschaften, Telefonbetreiber) einen Leitfaden über die verfügbaren technischen Optionen, die bei der Verminderung der Exposition eines Ortes gegenüber elektromagnetischen Wellen wirksam sind, erarbeiten würde;

3. weist darauf hin, dass die Wirtschaftsakteure heute schon auf bestimmte Faktoren Einfluss nehmen können, wie etwa die Entfernung zwischen dem betreffenden Ort und den Sendern oder der Höhe des Ortes im Vergleich zur Höhe des Antennenmastes und der Ausrichtung der Senderantenne im Vergleich zu Wohngebieten; dabei muss selbstverständlich darauf geachtet werden, dass die Menschen, die in der Nähe dieser Anlagen leben, Zusicherungen erhalten und möglichst weitgehend geschützt werden;

4. erkennt die Bemühungen der mobilen Kommunikation und anderer drahtloser, EMF ausstrahlender Technologien an, Umweltschäden zu vermeiden und insbesondere dem Klimawandel Rechnung zu tragen;

5. ist der Meinung, dass es angesichts der zunehmenden Anzahl von gerichtlichen Klagen und auch der Maßnahmen des Staates von aufschiebender Art im allgemeinen Interesse liegt, Lösungen den Vorzug zu geben, die auf dem Dialog zwischen den Wirtschaftsakteuren, staatlichen Stellen und Anwohnervertretungen über die Kriterien für die Aufstellung neuer GSM-Antennen oder die Verlegung von Hochspannungsleitungen beruhen, und zumindest darauf zu achten, dass Schulen, Kindertagesstätten, Seniorenheime und Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge in einer angemessenen Entfernung von dieser Art von Anlagen liegen;

6. ruft die Kommission auf, während der Wahlperiode 2009-2014 ein anspruchsvolles Programm für die elektromagnetische Bioverträglichkeit von künstlich erzeugten Wellen gegenüber denjenigen, die vom lebenden menschlichen Körper natürlich ausgestrahlt werden, auf den Weg zu bringen und zu gegebener Zeit zu ermitteln, ob die Mikrowellen schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben;

7. fordert die Kommission auf, eine Lösung zu finden, damit die Durchführung der Richtlinie 2004/40/EG beschleunigt wird, und so sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer wirksam gegen EMF geschützt sind, wie sie das bereits gegen Lärm und Vibration nach zwei anderen gemeinschaftlichen Texten sind;

8. stellt mit Unwillen fest, dass die Veröffentlichung der Schlussfolgerungen der internationalen epidemiologischen Studie mit der Bezeichnung „INTERPOHNE“ seit 2006 systematisch verzögert wird, deren Ziel es ist zu untersuchen, ob eine Beziehung zwischen der Benutzung des Mobiltelefons und bestimmten Krebsarten besteht, darunter insbesondere Hirntumore, Krebs des Hörnervs und Krebs der Ohrspeicheldrüse;

9. weist in diesem Zusammenhang auf den Aufruf zur Vorsicht der Koordinatorin der INTERPHONE-Studie, Frau Elisabeth Cardis, hin, die auf der Grundlage der derzeitigen Kenntnisse empfiehlt, dass Kinder das Handy umsichtig benutzen und das Festnetztelefon bevorzugen sollten;

10. ist in jedem Fall der Auffassung, dass es Aufgabe der Kommission, die zur Finanzierung dieser weltweiten Studie in Höhe von 3,8 Mio. Euro vor allem über das 5. FTE-Rahmenprogramm beigetragen hat, ist, die Verantwortlichen des Projekts zu fragen, warum es noch keine endgültige Veröffentlichung gibt, und im Fall einer Antwort das Parlament und die Mitgliedstaaten unverzüglich zu unterrichten;

11. schlägt der Kommission auch im Sinne politischer und haushaltrechtlicher Effizienz vor, die für die Studien über EMF vorgesehenen Gemeinschaftsmittel auf eine globale Kampagne zur Sensibilisierung der jungen Europäer für den vernünftigen Umgang mit Handys umzuleiten, wie etwa Freisprechanlagen, kurze Telefonate und die Benutzung von Telefonen in Bereichen mit gutem Empfang;

12. schlägt vor, dem Mandat der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen Technologien (EGE) den Auftrag hinzuzufügen, die wissenschaftliche Integrität zu bewerten, um die Kommission darin zu unterstützen, eventuelle Möglichkeiten von Gefahrsituationen, Interessenkonflikten oder gar Betrügereien zu vermeiden, die im Zusammenhang mit dem gesteigerten Wettbewerb der Forscher auftreten könnten;

13. fordert die Kommission angesichts der Bedenken der Öffentlichkeit in vielen Mitgliedstaaten auf, mit allen interessierten Kreisen, wie nationalen Experten, Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftssektoren, zusammenzuarbeiten, um die Verfügbarkeit und den Zugang zu aktuellen, für den Laien verständlichen Informationen über Drahtlostechnologie und Schutzvorschriften zu verbessern;

14. kritisiert bestimmte Marketingkampagnen von Telefonbetreibern, die besonders aggressiv in der Weihnachtszeit am Jahresende geführt werden, wie etwa den Verkauf von Mobiltelefonen, die ausschließlich für Kinder bestimmt sind, oder die Pauschalangebote „Freiminuten“, die sich an Jugendliche richten;

15. schlägt vor, dass die Union in ihre Politik der Qualität von Innenraumluft eine Studie über „drahtlose“ Hausgeräte aufnimmt, die sich, wie etwa Wifi für den Internetzugang und „DECT“-Telefone, in den letzten Jahren an öffentlichen Plätzen und in Wohnungen generell durchgesetzt haben und die Bürger einer ständigen Mikrowellenstrahlung aussetzen;

16. fordert – immer in dem Bestreben einer Verbesserung der Information der Verbraucher –, dass die technischen Normen des CENELEC geändert werden und dass eine Kennzeichnungspflicht mit Angaben über die Emissionsstärke vorgeschrieben wird, aus denen auch bei jedem „drahtlos“ funktionierenden Gerät hervorgeht, dass es Mikrowellen aussenden;

17. ruft den Rat und die Kommission auf, in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und dem Ausschuss der Regionen für die Schaffung einer einzigen Vorschrift einzutreten, um die Exposition der Anrainer im Fall der Ausweitung des Hochspannungsnetzes möglichst gering zu halten;

18. ist in höchstem Maße besorgt über die Tatsache, dass die Versicherungsgesellschaften dazu tendieren, die Abdeckung der Risiken im Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern aus den Haftpflichtversicherungen auszuschließen, was offensichtlich bedeutet, dass sich die europäischen Versicherer bereits nach ihrer Version des Vorsorgeprinzips richten;

19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Ausschuss der Regionen und der WHO zu übermitteln.

BEGRÜNDUNG

Gesundheitliche Folgen elektromagnetischer Wellen

Gesundheitliche Folgen elektromagnetischer Wellen: worum geht es?

Eine der erstaunlichsten Überraschungen, die der menschliche Körper für uns bereit hält, ist sicherlich seine Fähigkeit, auf natürliche Weise elektrische Felder auszusenden, die vor allem auf biologische Vorgänge zurückgehen. Dadurch ist es möglich, die elektrischen Aktivitäten unseres Herzens und unseres Gehirns mithilfe eines Elektrokardiogramms bzw. eines Elektroenzephalogramms aufzuzeichnen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es zwischen der natürlichen elektrischen Aktivität und den elektromagnetischen Feldern, die infolge menschlicher Tätigkeiten entstehen, zu einer Wechselwirkung kommt? Wie nimmt der menschliche Körper die elektromagnetischen Wellen auf, die von technischen Geräten ausgehen, wie z. B. Radios, Fernsehern, Mikrowellen, Mobiltelefonen, Sendemasten und Hochspannungsleitungen?

Viele Fragen, die mit zahlreichen wissenschaftlichen Ungewissheiten verbunden sind und auf die staatlicherseits noch nicht ausreichend eingegangen worden ist. Dies ist das primäre Anliegen des vorliegenden Initiativberichts, der völlig unabhängig verfasst wurde, ohne in die wissenschaftliche Kontroverse über elektromagnetische Felder eingreifen zu wollen. Vorrangig verfolgt der Bericht das Ziel, den Bürgern, die diese Geräte nutzen bzw. in der Nähe von Sendemasten oder Hochspannungsleitungen wohnen, anhand zahlreicher konkreter Vorschläge Antworten zu liefern. Immer mehr Bürger sind über die gesundheitlichen Auswirkungen der ständigen Exposition gegenüber Mikrowellen besorgt.

Europäische Empfehlungen

Europäische Empfehlungen – zögerliche Umsetzung durch die Mitgliedstaaten

Mangels Zuständigkeit gemäß den Verträgen gibt es kein europäisches Gesetz, das die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Maßnahmen bezüglich der Wellen im niedrigen und sehr niedrigen Frequenzbereich zu treffen. Diese Wellen stammen derzeit hauptsächlich von Mobilfunkmasten und Drahtlostechnologien.
Daher werden die Expositionsnormen für die Bevölkerung auf EU-Ebene in einer Empfehlung des Rates vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz-300 GHz.) festgelegt.

Diese entsprechen genau den von der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) festgelegten Werten, eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell anerkannte Nichtregierungsorganisation, bei der wissenschaftliche Ergebnisse aus der ganzen Welt ausgewertet werden.

In der Empfehlung des Europäischen Rates sind die folgenden Grenzwerte festgelegt:
1. GSM (900 MHz): 41,25 Volt/Meter
2. DCS (1800 MHz): 58,33 Volt/Meter
3. UMTS (2100 MHz): 61 Volt/Meter

Andererseits steht es den Mitgliedstaaten frei, striktere Schutzvorschriften zu erlassen. Neun Mitgliedstaaten haben dies auf nationaler oder regionaler Ebene bereits getan, darunter Griechenland, Polen und vor Kurzem auch Belgien.
Im Großherzogtum Luxemburg, das der Berichterstatterin sehr vertraut ist, hat sich die Regierung seit Ende 2000 dem Vorsorgeprinzip verpflichtet und schreibt einen Höchstwert von 3 Volt/Meter für das elektrische Feld eines Senders vor, der sich in der Nähe eines von Menschen genutzten Ortes befindet. Die luxemburgische Bevölkerung hat damit praktisch 14 Mal mehr Schutz vor elektromagnetischen Feldern als andere EU-Bürger.

Die mangelnde Koordinierung der nationalen politischen Strategien auf EU-Ebene zu diesem Thema ist bedauerlich. Nach Ansicht der Berichterstatterin ist es die Aufgabe der Kommission, im Bereich der elektromagnetischen Wellen (hinsichtlich Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Gesundheit und Information der Verbraucher) für eine klare Politik zu sorgen, die sich nicht wie zurzeit auf einige von der GD Forschung nach dem Gießkannenprinzip finanzierte Projekte beschränken darf.

Nach Ansicht der Berichterstatterin gibt es jetzt nur einen Weg: Es muss eine politische Lösung gefunden werden, bei der die festgelegten Grenzwerte regelmäßig angepasst werden (entsprechend den neu auf den Markt gebrachten Technologien und den Ergebnissen neuer epidemiologischer Studien) und ein hohes Maß an Sicherheit für die Verbraucher, insbesondere für die Kinder, sichergestellt wird, ohne jedoch dadurch die Funktionsfähigkeit der Mobilfunknetze einzuschränken.

Diesen Ansatz verfolgt auch die Europäische Umweltagentur in Kopenhagen, die im September 2007 den öffentlichen Behörden der 27 Mitgliedstaaten beherzt empfahl, Maßnahmen zum wirksameren Schutz der Öffentlichkeit zu ergreifen, nämlich „geeignete und angemessene Maßnahmen zur Vermeidung von großen Gefahren“ zu ergreifen. Das ist ein großer Schritt nach vorn. Hier wird, im Gegensatz zur Weltgesundheitsorganisation, die die Beibehaltung des Status Quo predigt, zum Handeln aufgerufen.
Die WHO scheint „auf Zeit zu spielen“, und erst im Jahr 2015 die Auswirkungen elektromagnetischer Wellen auf den Menschen vollständig bewerten zu wollen!

Das Europäische Parlament lässt nicht locker

Abstimmungen am 10. März 1999 und 4. September 2008: Das Europäische Parlament lässt nicht locker

Bereits vor 10 Jahren gab das Parlament eine warnende Botschaft hinsichtlich der in Europa festgelegten Normen zum Schutz der Bevölkerung vor Mikrowellen heraus. Dies war eine kaum verschleierte Kritik an der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat, da der Berichterstatter Gianni Tamino zu nicht weniger riet, als das Vorsorgeprinzip sowie das Prinzip „ALARA“ (as low as reasonably achievable - so niedrig, wie vernünftigerweise einzuhalten) zu befolgen, um die Belastung durch Strahlen so weit wie praktisch möglich zu reduzieren.

Diese klare Haltung zu dem sensiblen Thema der Expositionsgrenzwerte hat das Europäische Parlament bei seiner Abstimmung am 4. September 2008 über die Zwischenbewertung des „Europäischen Aktionsplans Umwelt und Gesundheit 2004-2010“ im Großen und Ganzen beibehalten.

Die Abstimmung erfolgte nahezu einstimmig (522 der Mitglieder des Europäischen Parlaments stimmten dafür, 16 dagegen) und dem Rat wurde empfohlen „seine Empfehlung 1999/519/EG dahingehend zu ändern, dass die bewährten Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden und somit strengere Belastungsgrenzwerte für die Gesamtheit der Geräte festgesetzt werden, die elektromagnetische Wellen in den Frequenzbereichen zwischen 0,1 MHz und 300 GHz ausstrahlen“.

Die Berichterstatterin ist sich im Klaren darüber, dass für die Frage der Schwellenwerte ausschließlich die Länder und Regionen zuständig sind, und möchte an dieser Stelle nur auf Alternativen hinweisen, die die Hersteller zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden nutzen könnten. So wäre es möglich, dass sie dem Beispiel der österreichischen Behörden folgen und zur Verbesserung der Reichweite höhere Sendemasten einsetzen.

Zudem muss eingeräumt werden, dass sich das Alltagsleben der europäischen Bürger in den letzten zehn Jahren, seit der Gebrauch von Drahtlostechnologien immer mehr zunimmt (Schnurlostelefone mit fester Basisstation „DECT“, Mobiltelefone, UMTS, Wifi, Wimax, Bluetooth, Babyphone usw.), stark verändert hat. Da unstrittig ist, dass diese neuen Technologien einen großen Beitrag leisten und am Arbeitsplatz, in der Bibliothek und Zuhause omnipräsent sind, sollte auch unstrittig sein, dass sie vor ihrer Markteinführung Prüfungen unterzogen werden und allgemein Schwellenwerte für das Expositionsniveau gegenüber Mikrowellen im Haushalt festgelegt werden. Alles andere wäre eine unterlassene Hilfeleistung gegenüber gefährdeten Verbrauchern!

Unter den Bürger, Verbrauchern und Anwohnern herrscht derzeit kein Klima des Vertrauens, und dieses muss in den folgenden Jahren wiederhergestellt werden. Dazu braucht es aber auch die Unterstützung der Wissenschaft. Wenn nämlich die Berichterstatterin absichtlich keine veröffentlichten Studien oder Dokumente zitiert, mit Ausnahme der des Europäischen Parlaments selbst, so geschieht dies, weil das Thema der elektromagnetischen Wellen und der möglichen Gesundheitsrisiken zu fortdauernden Meinungsverschiedenheiten unter den Wissenschaftlern führt.

Die INTERPHONE-Studie: ein Lehrbuchfall

Der Berichterstatterin ist bekannt, dass Kontroversen über dieses Thema zum normalen Geschehen in der Wissenschaft gehören. Dazu brauchen wir uns nur an die Polemik zu erinnern, mit der über Jahre hinweg die unterschiedlichen Meinungen zum Klimawandel und seine Ursachen vertreten wurden!

Dennoch fällt es schwer zu akzeptieren, dass Studien „auf Eis gelegt werden“, weil sich die Experten nicht auf ein Ergebnis einigen können, und das umso mehr, als europäische Steuermittel im Spiel sind.

Die INTERPHONE-Studie ist in diesem Zusammenhang ein wahrer Lehrbuchfall. 1998 initiiert und ab 2000 begonnen, war sie vor allem als das umfassendste Projekt zu diesem Thema angekündigt worden, da sie weltweit in nicht weniger als 12 Ländern und im Interesse einer möglichst genauen Erfassung des Risikos der Erkrankung an bestimmten Krebsarten mit einer beispielhaften Protokollierung durchgeführt wurde – die Ergebnisse allerdings lassen seit 2006 auf sich warten. Dies wirft Zweifel auf, ob sich je eine klare Antwort finden lassen wird.

Die Berichterstatterin ist sich des enormen Drucks bewusst, dem die Wissenschaftler, denen sie helfen möchte, in diesem immer härteren Wettbewerb ausgesetzt sind, bei dem Forschungsergebnisse nur etwas zählen, wenn sie zur Innovation beitragen und in einer der größten wissenschaftlichen Zeitschriften erscheinen. Ihrer Meinung nach sollte die Arbeitsweise der wissenschaftlichen Ausschüsse der Kommission reformiert werden.

Hierfür liegen zwei einfache Ideen vor: Zum einen sollten in den Ausschüssen alle beteiligten Akteure vertreten sein, auch Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherverbände. Zum anderen wird aus Gründen der Transparenz und der wirksamen Kontrolle vorgeschlagen, der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen Technologien (EGE) zusätzlich den Auftrag zur Evaluierung der wissenschaftlichen Integrität zu übertragen. Diese Art der Kontrolle, die bereits in nationalen Forschungseinrichtungen eingesetzt wird, wäre für die Kommission eine wertvolle Hilfe bei der Vermeidung von Gefahrensituationen, Interessenkonflikten oder Betrugshandlungen im Wissenschaftsbereich.

Die Berichterstatterin möchte mit einem Hinweis auf die zahlreichen ihr bekannten Dokumente schließen, aus denen hervorgeht, dass die Versicherungsgesellschaften Risiken von elektromagnetischen Feldern in der Regel von der Haftpflichtversicherung ausschließen. Da die Versicherer bekanntermaßen in der Lage sind, alle Risikoarten zu bewerten und auf die Zukunft zu setzen, lässt sich die berechtigte Frage stellen, was sie dazu bewogen hat, ihrerseits das Vorsorgeprinzip geltend zu machen.

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