Hattersheim bleibt bei analogen Wasserzählern

5.500 Wasserzähler bleiben aus Kostengründen analog - eine beispielhafte Argumentation
"Aufgrund der geringen Vorteile für die Hattersheimer Haushalte und den erheblichen wirtschaftlichen Mehrkosten können die Stadtwerke den Einsatz von funkbasierten Wasserzählern nicht empfehlen."

Die Gemeinde Hattersheim am Main mit ihren knapp 30.000 Einwohnern und 5.500 Haushalten verzichtet auf die Umstellung zu funkbasierten Kaltwasserzählern.

Entgegen dem allgemeinen Trend in den Kommunen hat der Magistrat der Stadtverordnetenversammlung am 24.02.2022 den Vorschlag unterbreitet, es bei analogen Wasserzählern zu belassen.

Unter den in der Drucksache aufbereiteten Vor- und Nachteilen werden folgende vier Argumente gegen die funkbasierten Zähler vorgebracht:

  • "Die Anschaffungskosten eines momentan verwendeten analogen Wasserzählers liegen bei ca. 10 EUR. Bei ca. 5.500 Zählern im Stadtgebiet und einem Wechselturnus nach dem Mess- und Eichgesetz von 6 Jahren betragen die jährlichen Kosten ca. 9.200 EUR.
    Ein moderner Funkwasserzähler kostet bei unterschiedlich angefragten Herstellern im Mittel ca. 175 EUR. Somit liegen hier die jährlichen Kosten für den Wechselturnus bei rund 160.000 EUR. Mehrkosten pro Jahr rund 150.000 EUR.
    Für die komplette Umstellung der 5.500 Zähler: ca. 900.000 EUR.
  • Die jährliche Ablesung des analogen Wasserzählers führt auch zu einer jährlichen Sichtprüfung der Anlage durch den Anwohner, welche durch den Wegfall des Ablesens entfallen würde. Somit können Störungen, wie z.B. Wasseraustritte an der Hausinstallation nicht wie bisher frühzeitig erkannt werden.
  • Zu den reinen Materialkosten kommen noch weitere personelle Kosten für den aufwändigeren Tausch der Funkwasserzähler und der Schulung der Monteure für die Installation und Einrichtung der Funktechnik. Hinzu kommen noch Kosten für die notwendige Hard- und Software, um die Daten in das zentrale Abrechnungsmodul einzulesen und auszuwerten.
  • Neben den wirtschaftlichen Kriterien spielt auch die Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit eine gewichtige Rolle. So müssen alle 6 Jahre die Funkwasserzähler mit den eingebauten elektronischen Bestandteilen entsorgt werden. Die aktuellen analogen Wasserzähler können problemlos wiederverwertet werden, da keine elektronischen Bauteile enthalten sind."

Damit wurde der entsprechende Prüfauftrag an die Verwaltungspitze abgearbeitet und z.K. genommen: Die Stadtwerke Hattersheim werden trotz Aufbau ihres stadtweiten Funknetzes (LoRaWAN) beim turnusmäßigen Tausch der Kaltwasserzähler in den Haushalten weiterhin nur analoge Geräte verwenden.

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diagnose:funk argumentiert seit Jahren gegen die dauerfunkenden Wasserzähler, die z.B. von Firmen wie Kamstrup, Sensus und Diehl u.a. den Kommunen und Wasserversorgern mit vielen Versprechungen angeboten werden. In unserer Hauptargumentation >>> gegen diese Art von Zählern gehen wir vorrangig auf das Thema Datenschutz ein.

Analog ist und bleibt die einfachste und kostengünstigste Lösung

Am Beispiel der Gemeinde Hattersheim wird deutlich, dass es viel einfacher geht. Das Argument "unnötig teuer" versteht jeder Kämmerer und Gemeinderat sofort. Dann noch das Argument "schadet die Umwelt", "braucht unnötig Energie" und ist in der Handhabung "viel komplizierter" sorgt dafür, dass entsprechend gehandelt wird.

Zur Nachahmung empfohlen!

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Anmerkung 01.08.2022:

Es gab prompt Einwände eines Bürgermeisters einer kleinen Gemeinde gegen die oben genannten Argumente mit der Aussage "das sei alles Mist“. Sein Fazit: "Die Umstellung auf digitale Zähler ist somit die wirtschaftlichere und effizientere Lösung!"

Die dazu aufgemachte Rechnung hatte nur ein paar Schönheitsfehler und beruht wohl vorrangig auf den Werbeaussagen der Funk-Wasserzählergeräte-Hersteller, die seit Jahren wiederholt werden, dadurch aber nicht richtiger werden.

Deshalb hier ein paar Ergänzungen zur o.g. Argumentation:

Zum genannten Mittelwert der Kosten eines Funkwasserzählers ist zu ergänzen, dass die billigsten am Markt angebotenen Zähler z.Zt. bei ca. 70 Euro liegen. Es gibt auch Angebote von über 250 Euro/Stk.. Die Qualitätsunterschiede seinen wohl erheblich, teilen uns Wassermeister zweier Gemeinden mit.

Zur Eichfrist: Vermeintlich dürften die Funkwasserzähler 12 Jahre betreiben werden und die Analogen Zähler nur 6 Jahre.

Dazu wurde das bayerische Landesamt für Maß und Gewicht aus München bereits 2017 befragt. Es schreibt dazu:

„die Eichfrist von Kaltwasserzählern beträgt nach wie vor 6 Jahre und die Tatsache, dass „intelligente“ Zähler oder Zähler mit Funkmodulen (die es schon sehr lange gibt) verbaut werden, ändert daran nichts.

Die 15 Jahre Nutzungsdauer beziehen sich auf die Batterie des Funkmoduls und haben mit der Eichfrist nichts zu tun.

Es besteht allerdings die Möglichkeit, die Eichfrist von Wasserzählern in einem Stichprobenverfahren um 3 Jahre zu verlängern. Dazu werden Zähler beim Einbau zu einem Los zusammengefasst. Zum Ende der Eichfrist wird aus diesem Los eine Stichprobe von Zählern gezogen, die auf dem Prüfstand untersucht werden. Sollten die Zähler die im Stichprobenverfahren definierten Auflagen einhalten, verlängert sich die Eichfrist des gesamten Loses um 3 Jahre.

Das Stichprobenverfahren kann so oft wiederholt werden, bis die Stichprobenzähler das Verfahren nicht bestehen. Dann muss das ganze Los ausgebaut werden.

Üblicherweise bestehen Hausanschlusszähler 2 bis 3 Stichprobenverfahren. Das ergibt eine Nutzungsdauer von 6 Jahren Eichfrist + 6 bis 9 Jahre Stichprobenverlängerung, insgesamt also 12 bis 15 Jahre. Daran bemisst sich auch die Laufzeit der Batterien der Funkzähler."

Es bleibt somit auch dabei: Ein Funkwasserzähler enthält problematische und teils giftige Bestandteile die entsorgt werden müssen. Die Bauteile eines analogen Zählers lassen sich zu fast 100 % recyklieren, bzw. sogar direkt wiederverwenden.

Das im öffentlichen Diskurs gerne genutzt Argumente gegen analog Zähler, dass die drehbaren Teile dieser Zähler zu einer Verkeimung führen können, ist in der Praxis nicht belegt. Potenziell ist es natürlich richtig, dass ein durchgehendes Röhrchen weniger anfällig ist und vor dem Einbau leichter sauber gehalten, bzw. nachgereinigt werden kann. Sofern aber die Produkt-Überwachung der Keimfreiheit aus der Produktion bis zum Einbau sauber durchgeführt wird, gibt es hier keine Probleme. Wo es Probleme gab, haben die Zähler die Keimbelastung wohl mitgebracht. Hier ein Artikel zum Thema mit weiterführenden Links auf Berichterstattungen >>>.

Unsere Anfragen dazu bei Wassermeistern von lokalen Versorgern laufen noch. Erhalten wir hierzu Rückmeldung, werden diese Aussagen hier entsprechend ergänzt bzw. korrigiert.

Zum Aufwand der Datenerhebung: Die interne Wette bei einem lokalen Wasserversorger im Kreis Böblingen hat das Ergebnis erbracht, dass die aktuell praktizierte analoge Datenerhebung (mittels Informationswurfsendung, Eintrag der meisten Zählerdaten online durch die Haushalte und dem zusätzlichen Aufwand der vor-Ort-Erhebung durch Studenten bei denen die es vergessen haben oder nicht können, inkl. der Verarbeitung im vorhandenen Abrechnungssystem) in der Praxis billiger ist, als jedes eingeholte Angebot, bzw. errechnete Verfahren zur Datenerhebung mittels Funk, unter Berücksichtigung aller anfallenden Kosten. Somit bleibt diese Gemeinde weiterhin beim analogen Zähler.

Und das Thema Datenschutz wurde hier völlig ignoriert und ist für alle Bundesländer und Wasserversorger in Hintergrund ein Riesenthema. Dazu an anderer Stelle mehr.

Artikel veröffentlicht:
22.07.2022
Autor:
diagnose:funk

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